GG 431

Fragmentum Commentariorum Origenis in Evangelium secundum Matthaeum, Erasmo Roterodamo interprete. Opus antehac non excusum. Basel: Johannes Froben [August 1527]. 8°.

Von den Werken des gelehrtesten griechischen Kirchenvaters, des Origenes Adamantius (um 185-254) aus Alexandria, Schülers des Clemens und Lehrers an der Katechetenschule seiner Vaterstadt, ist nur weniges erhalten, in grösserem Umfang zudem nur in lateinischer Übersetzung des Rufinus aus Concordia bei Aquileia vom Ende des vierten Jahrhunderts. Nach einem Konflikt mit seinem Bischof ist Origenes nach Caesarea in Palästina übergesiedelt. Nach dem Konzil von Nikäa wurden seine Werke für häretisch erklärt. So sind auch von seinen Hauptwerken, einer sechsspaltigen Ausgabe des Alten Testaments, der Hexapla (Urtext in hebräischer und griechischer Schrift und vier griechische Fassungen, darunter die Septuaginta), und seiner - der ersten christlichen - Dogmatik, in der er mit platonischem Gedankengut die Bibel dreifach in somatischem (buchstäblichem), psychischem (d.h. moralischem) und pneumatischem (allegorisch-mystischem) Sinn deutet, nur geringe Fragmente erhalten, die ersten griechischen Drucke erst im l7. Jahrhundert erschienen. Lateinisch erschienen zuerst Homilien zu biblischen Büchern (1475) und seine Verteidigungsschrift gegen den Neuplatoniker Celsus (Kelsos), der 178 in einer "Schrift der Wahrheit" die jüdisch-christliche Religion bekämpft hatte. Auch der Kommentar zum Matthaeus-Evangelium, aus dem hier ein Muster und ein neues Fragment erscheint, ist nur - auch heute noch - bruchstückhaft erhalten.

Erasmus hat das zusätzliche Fragment nach einer Handschrift übersetzt und weist in seiner Widmung an den Dekan der Basler Kirche, den Berner Patrizier und Kirchenrechtler, bis 1526 Koadjutor des Basler Bischofs, Nicolaus von Diesbach, von Basel, 6. Juli 1527 (einziges Datum des Drucks) auf die Bedeutung des Origenes als Anreger, auch nur in einem Fragment, hin, warnt aber auch vor unkritischem Bezug auf die eigene Zeit und nennt auch die Quelle seiner griechischen Vorlage (ganz anders wird der Begründer der Basler Orthodoxie ein knappes halbes Jahrhundert später, Johann Jacob Grynaeus, in der Vorrede seiner Gesamtausgabe zu Vorsicht bei der Lektüre gerade wegen solcher Anstösse mahnen). Es erschienen heute so viele neue Bücher, beginnt Erasmus - keine zwei Jahre bevor er wegen der Reformation seinen Wohnsitz von Basel nach Freiburg verlegt - seine Widmung an den Basler Theologen, dass die Gefahr bestehe, dass die Menge der Erkenntnis der Wahrheit schade, zumal solche Meinungsverschiedenheiten unter ihnen bestünden, dass sie einem des Dichters Schneiden aus Schlangenzähnen brächten, die einander sogleich selbst verfleischten. Denn in übermässigem Streit vergesse man die Wahrheit, masslose Geschwätzigkeit verdunkle sie. Er ziehe es vor, seine Arbeit an die Wiederherstellung der alten Autoren zu verwenden, aus deren Lektüre wenigstens der Ertrag komme, dass man Chrysostomus, Hieronymus und ähnliche Autoren richtiger verstehe, ihre Quellen erkenne. So müsse man für ihre Zitate aus Dichtern Homer kennen. So verstehe Thomas genauer, wer die Autoren lese, aus denen er geschöpft habe. Zu den alten Deutern der heiligen Schrift gehörten Origenes und Tertullian (die Werke dieses ältesten und bedeutendsten lateinischen Kirchenvaters hatte Beatus Rhenanus 1521 bei Johannes Froben herausgegeben). Beiden habe ihre hohe Bildung geschadet, bzw. unsere Unbildung, die wir ihre Angebote nicht zu nützen verstünden. Wir bezögen irrsinnigerweise Origenes auf die eigene Zeit, wie wenn man Scotus, Ockham, Thomas im Jahrhundert des Origenes leben liesse. Obwohl die Kirche ihre Kindheit, ihr Wachstum, ihr Erwachsenenalter, vielleicht auch ihr Greisenalter habe, untersuchten gewisse Leute doch alle Schriften auf die Gegenwart hin, undankbar gegenüber jenen, missgestimmt gegen sich selber. Vieles, was heute anzuzweifeln höchste Gottlosigkeit sei, habe früher religiöse Gewissenhaftigkeit zu untersuchen verlangt. Origenes habe fast allen griechischen Autoren Stoff geliefert, alles untersucht, nichts behauptet, was nicht eindeutig in der heiligen Schrift ausgedrückt gewesen sei, und habe für dieses Pflichtgefühl nichts als Missgunst geerntet. Er scheine ihm, neben seinen aussergewöhnlichen Bemühungen um die heilige Schrift, das Besondere zu Haben, dass er einem gescheiten, nicht unerfahrenen Leser verschiedene Stachel im Geist lasse, den unterschiedlichen Stoff zu überdenken, so dass kein anderer Autor gleich nützlich zur Ausbildung von Predigern sei. Manche behandelten Themen (loci communes) bis zum Überdruss, er berühre eines und wende sich weiter, vor allem in den Bänden für den privaten Unterricht, die nicht zur Veröffentlichung bestimmt gewesen seien. Zu diesen Bänden habe dieser Matthaeus-Kommentar gehört, wie nicht nur die griechischen Titel zeigten; doch habe ihn irgendjemand in Homilien eingeteilt. Ihm fehlten auch die in Homilien üblichen Abschlüsse. Dass im bruchstückhaften bekannten Kommentar zehn Bände fehlten, zeigten die Titel der griechischen Handschrift, aus der er den elften und zwölften Titel hinzugefügt habe. Erasmus bedauert, dass er nicht mehr ergänzen, das Werk nicht habe vervollständigen können. Jener Übersetzer sei nicht genannt, doch er vermute Ruffinus, der weder genug Griechisch noch genug Latein gekonnt habe, obwohl man mehr noch Zuverlässigkeit als Bildung wünschte. Denn er habe keinen Autor berührt ohne ihn zu kürzen oder zu erweitern, obwohl das höchste Lob für einen Übersetzer und Historiker die Zuverlässigkeit sei. Er gestehe es selber in seinen Vorreden, aber er leiste sich mehr als er gestehe. Um dem Leser den Unterschied zu zeigen habe er auch davon ein Stück übersetzt (s. unten). Er hoffe, wünscht Erasmus zum Schluss Diesbach, dass er in diesen stürmischen Zeiten Ruhe finde, das kleine Geschenk zu lesen. Die Handschrift sei ihm aus der Bibliothek von Ladenburg zur Verfügung gestellt worden (d.h. aus der Bibliothek des ehemaligen Kanzlers der Universität Heidelberg und Bischofs von Worms Johannes von Dalberg, 1455-1503), durch den vornehmen und um die Studien verdienten Rechtsgelehrten Wolfgang von Affenstein, der den Bischof von Worms in auswärtigen Geschäften vertrete. Dies damit der Leser wisse, wem er das Werk verdanke und, falls er die Zuverlässigkeit des Übersetzers prüfen wolle, wisse woher er die Vorlage bekommen könne. - Erasmus hat die Ergänzung zur Übersetzung des Ruffinus im Juni übersetzt, im Anschluss an die Niederschrift des Kommentars zum Galaterbrief, wie wir einem Brief vom 10. Juni an Germanus Brixius entnehmen können. Zwei Monate nach Erscheinen unseres Druckes ist Johannes Froben gestorben. - In der folgenden Gesamtausgabe der Schriften des Origenes von 1536 von Erasmus und Rhenanus (GG 432) bildet die Übersetzung des Erasmus - ihr Ende ist angegeben - die Seiten 9-41 der 240 Seiten des Matthaeuskommentars: die Kapitel 13-15 in Tomus 11 und 16 in Tomus 12 sowie den Anfang des Tractatus 1.

Aus Besitz des gegen 1500 in Breisach geborenen, 1533/34 an der Basler Universität immatrikulierten Diakons zu St. Martin von 1529 bis 1552, Verfassers eines zu Lebzeiten gedruckten Tagebuchs Johannes Gast: F L X 17 Nr. 2. sowie F J IX 17 : 1

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: FJ IX 17:1 | FL X 17:2

Illustrationen

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Titelseite mit Besitzervermerk von Johannes Gast

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Vorrede von Erasmus an Nicolaus von Diesbach, Dekan der Basler Kirche, datiert von Basel, den 6. Juli 1527, 1. Seite

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Vorrede, 2. und 3. Seite

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Vorrede, 4. und 5. Seite

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Vorrede, 6. und 7. Seite

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Vorrede, 8. Seite und erste Textseite