GG 15
In hoc opere contenta: Ludus L. Annaei Senecae , De morte Claudij Caesaris, nuper in Germania repertus, cum Scholijs Beati Rhenani. Synesius Cyrenensis de laudibus Calvitij, Ioanne Phrea Britanno interprete, cum scholijs Beati Rhenani. Erasmi Roterodami Moriae Encomium, cum commentarijs Gerardi Listrij, trium linguarum periti. Basel: Johannes Froben August 1515. 4°.
Zu den ersten Basler Drucken mit griechischem Text gehört auch dieser Sammeldruck mit der Erstausgabe der Spottschrift des römischen Philosophen Seneca auf Kaiser Claudius, dem Erstdruck einer älteren Übersetzung des Lobs der Kahlheit des Bischofs von Kyrene Synesius und, als Hauptschrift, dem Lob der Torheit des Erasmus von Rotterdam, dieses hier zum erstenmal mit einem Kommentar. Initiant des Sammeldrucks dürfte Beatus Rhenanus gewesen sein. Er hat auch die ersten beiden Schriften kommentiert und eingeleitet. Im Text findet sich Griechisches nur wenig im Lob der Torheit, nichts naturgemäss in der Synesius-Übersetzung, während die Schrift Senecas griechische Passagen enthielt, diese aber in der Handschrift des Rhenanus ausgelassen gewesen seien und er sie, wo ihm möglich, vermutungsweise im Kommentar mit Begründungen eingesetzt hat. Recht zahlreich sind auch die griechischen Zitate in den beiden andern Kommentaren, griechisch ist der Text (mit Übersetzung) zu Synesius aus der Suda (vorangegangen war unserm Druck, mit weniger griechischem Text, im Jahr zwischen dem ersten Adagia-Druck Frobens (GG 12) und dem unsern, eine Sammlung von Übersetzungen des Erasmus aus den Moralia Plutarchs (GG 13) ). Da das vollständigere Impressum dem Synesius-Druck beigegeben ist und das letzte Werk des Druckes, das Lob der Torheit, ein eigenes Titelblatt erhalten hat, dürfte dieser Teil auch selbständig verkauft worden sein.
Die Schrift Senecas hat Rhenanus aus Basel am 30. März 1515 dem "Professor der Freien Künste" Thomas Rapp gewidmet. Er stammte aus Durlach, lebte als Lizenziat der Theologie in Strassburg und war Mitglied der literarischen Gesellschaft, die 1514 Erasmus auf seiner Reise nach Basel dort empfangen hatte. Die Schrift Senecas zeige, beginnt er, dass es im Altertum erlaubt gewesen sei, schlechten Herrschern mit Gleichem heimzuzahlen, was er nicht immer für ratsam, doch nie für tadelnswert halte. So habe er das kürzlich in Deutschland gefundene Fragment wie einen Edelstein aus alter Zeit in Eile mit Erklärungen aus Sueton und Tacitus umgeben, um es so noch schmackhafter zu machen. Es gebe allerdings Stellen, an denen er, mangels jeder Quelle, habe konjizieren müssen, da die ersten Bücher des Tacitus nicht erhalten, oder zumindest ihm nicht greifbar gewesen seien, obwohl er gehört habe, sie (d.h. eine Handschrift) seien in den letzten Jahren aus Deutschland nach Rom gebracht worden (der päpstliche Quästor Angelo Arcimboldo hatte eine Handschrift mit den Büchern 1-6 für Leo X. der Abtei Corvey abgekauft; sie erschienen in Rom im März 1515, also gleichzeitig mit dieser Äusserung des Rhenanus). Im Griechischen habe er manches ahnungsweise wieder hergestellt, anderes aber der späteren Hilfe durch eine bessere Handschrift überlassen müssen, da die seine von griechischen Buchstaben auch nicht die geringsten Spuren gezeigt habe. Er hoffe, dass das ihm gewidmete Werk allen so viel Nutzen und Unterhaltung bringe, wie es ihm Arbeit gebracht habe.
Die Ausgabe des Lobs der Kahlheit hat Rhenanus am 31. März 1515 dem Schlettstädter Priester zu St. Georg Martin Ergerinus (Ergesheimer) gewidmet. Auch hier berichtet er über die Entstehung der Ausgabe. Die witzige kleine Schrift, die sein einstiger Lehrer Cuno in Italien aus einer fehlerhaften Handschrift abgeschrieben habe, wolle er trotz ihrer lückenhaften Überlieferung den Gelehrten nicht vorenthalten (Cuno dürfte sie, wie andere Texte, in seiner unfreiwilligen Musse in Padua zwischen der Schliessung der Universität - nach der Schlacht von Agnadello am 14. Mai 1509 - und seiner Rückkehr nach Deutschland im Herbst 1510 - im November ist er in Basel - abgeschrieben haben. Die Abschrift Cunos ist, aus der Bibliothek des Rhenanus, in der Schlettstädter Bibliothek erhalten: Mscr. 102). Er habe die Edition so lange aufgeschoben, da er gehofft habe, entweder eine griechische Handschrift oder wenigstens eine weniger fehlerhafte (lateinische) zu finden. Dann hätte er entweder neu übersetzt oder diese Übersetzung des Phreas, die durch die Abschreiber eindeutig verschlechtert worden sei, revidiert. Der Engländer habe beide Sprachen hervorragend beherrscht und sogar in Italien einige Jahre gelehrt (Free hatte als einer der ersten englischen Humanisten in Italien studiert und in Ferrara, Florenz und Padua Medizin gelehrt; er ist 1465 in Rom gestorben). Er habe der Schrift einige Erklärungen beigegeben und sie ihm gewidmet, da er eine Haartracht wie Myconius habe, der zweifle, ob er einen so berühmten Patron der Kahlheit begeistert empfangen werde. Dieser biete immerhin an, die Kahlheit leichter zu nehmen oder sich sogar über seine Bekanntheit (durch diese Widmung) zu freuen. Andernfalls unterhalte ihn wenigstens die Gelehrtheit der Schrift des Philosophen und Bischofs. Heute wirke man lächerlich, wenn man Ernstes schreibe, noch lächerlicher, wenn man scherzen wolle, anstössig wie die witzlosen Witze Poggios oder dumm. Rhenanus lässt seiner Widmung die alte Frees an einen Unbekannten (N. S. P. D.) folgen, die somit in der Abschrift Cunos mitenthalten war. Hierin entschuldigt sich dieser, dass er, anders als die meisten andern Übersetzer, nicht mit einer leichten Schrift begonnen habe, sondern mit einer der schwierigsten; es sei denn auch noch kein einziges Werk des Synesius übersetzt. Damit aber die Gelehrsamkeit des Autors nicht weiter gänzlich unbekannt bleibe, habe er wenigstens diese Schrift zu übersetzen versucht. Hierzu darf nicht übersehen werden, dass zur Zeit, da Free die Schrift übersetzt hat - wohl in Italien, woher der Nürnberger Cuno die Abschrift der Übersetzung des Engländers nach Basel gebracht und hier dem Elsässer Rhenanus testamentarisch vermacht hat - dass in dieser Zeit in Italien noch nichts von Buchdruck bekannt war (erster Druck, in Subiaco: im Todesjahr Frees, 1465).
Dem dritten Werk unseres Druckes, dem Lob der Torheit, das nochmals die für diesen Druck geschaffene Titeleinfassung mit einem Narren und einem Satyr auf Säulen von Urs Graf erhalten hat, ist die Widmung des Basler Kommentators Gerard Listrius (Lyster) an seinen ehemaligen Lehrer an der Universität Löwen, Johannes Paludanus (Jean Desmarez) und die alte Widmung des Erasmus an Thomas Morus vorangestellt. Listrius war im August 1514 nach Basel gekommen, hat hier Medizin studiert, im August Frobens Druck einiger Moralia Plutarchs in der Übersetzung des Erasmus zumindest ein griechisches Distichon beigesteuert und bei der Ausgabe der Adagia im Jahre 1515 als Korrektor gewirkt. Von Erasmus wissen wir, dass er, als Listrius mit seinem Kommentar nicht recht vorankam, auch selber daran mitgearbeitet hat, dies aber nicht habe anführen wollen. Das Lob der Torheit war eine der beliebtesten Schriften des Erasmus und 1511-1514 in Paris, Strassburg und Antwerpen schon siebenmal erschienen, zwei Drucke erschienen in Venedig im Frühling und Sommer 1515. Das Bevorstehen eines neuen Drucks (des ersten in Basel!) der vollendeten kleinen Schrift, die Erasmus gewiss in kürzester Zeit hingeworfen habe, ermögliche ihm diese Dankesgabe, beginnt Listrius seine Widmung. Nicht grundlos sei die Schrift schon mehr als zehn Mal (hier rundet er leicht auf, wie wir gesehen haben) gedruckt worden. Da aber vieles in ihr nur gelehrten Lesern verständlich sei, wegen der vielen griechischen Passagen, der häufigen Anspielungen und des geistreichen Witzes, habe er einige Stunden, die er sonst der griechischen und hebräischen Sprache, vor allem aber der Medizin widme, an einen Kommentar der Torheit seines Erasmus verwendet. Besseres Verständnis fördere die Beliebtheit. - Wahrhaft ein international zusammengestellter Druck!
Geschenk des Druckers Froben an die Basler Kartause: D B VII 25 Nr. l
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: DB VII 25:1