GG 85
Suidae Historica, Caeteraque omnia quae ulla ex parte ad cognitionem rerum spectant... Liberalitate Magnif. & Generosi viri D. Caroli Villingeri, Baronis a Schoenberga, Caesareae Maiestati a consilijs, opera ac studio Hier. VVolfii annis abhinc XVII in Latinum sermonem conversa, nunc vero & emendata & aucta... Basel: Eusebius Episcopius in der Officina Hervagiana 1581. Fol.
1564, in einem der schlimmsten Pestjahre Basels und ganz Süddeutschlands, war bei Johannes Oporin und Johannes Herwagen in Basel die erste lateinische Ausgabe der Suda erschienen, eine Übersetzung des Augsburger Schulrektors und Stadtbibliothekars sowie bedeutenden Gräzisten Hieronymus Wolf, die ihm der kaiserliche Rat Karl Villinger finanziell ermöglicht hatte. Ihm hat er 1564 das Werk gewidmet. Siebzehn Jahre später, wenige Monate nach Wolfs Tod, erscheint ein zweiter, vermehrter Druck, der letzte allein lateinische. 1619 folgt in Genf der erste zweisprachige Druck mit einer neuen Übersetzung des Aemilius Portus, eines Sohnes des aus Kreta stammenden Heidelberger Gräzisten Franciscus Portus.
In seiner als Bibliothekar der Stadt Augsburg und Professor beider Sprachen unterzeichneten Widmung von Augsburg, dem 1. Januar 1564, an den Kaiserlichen Rat Karl Villinger, Baron von Schöneberg, die auch in unserer Ausgabe abgedruckt ist und in der sich, wie in der neuen von 1581, neben Biographischem interessante Verlagsgeschichte findet, weist Wolf auf die Bedeutung der Philosophie und der Geschichtsschreibung hin, zitiert als Zeugen für beides Cicero, und dann darauf, dass die alten Theologen, besonders die griechischen, schliesslich sowohl die antiken Redner an Beredsamkeit wie die Philosophen an Kenntnis des menschlichen Lebens übertroffen hätten: Basilius, Chrysostomus, Gregor, Nemesius. Daher freue er sich darüber, dass er sie lese, und erfülle hiermit seinen Wunsch umso lieber, als er schon lange beschlossen habe, danach nichts mehr zu veröffentlichen, sondern endlich auch selber seine Bibliothek zu nützen, die sich nun schon neun Monate bei ihm beschwere, dass er bei einer solchen Menge verschiedenster Bücher sich allein mit Suidas abgebe und alle andern vernachlässige. Doch er hoffe, seine Xanthippe leicht zu besänftigen, wenn er nach Abschluss dieser Arbeit sie wieder pflege und liebe. Die Rechtfertigung dieser Ausgabe dürfte schwieriger sein. Dass Suidas nur wenigen bekannt sei, schliesse er daraus, dass er bisher in Mailand von Chalcondylas (1499), dann in Venedig von Aldus (1514) und zuletzt vor etwa zwanzig Jahren von Froben (Froben und Episcopius 1544 [GG 84]) herausgegeben worden sei und er mit Scham habe vernehmen müssen, dass dieser trotz der Menge derer, die die beiden Sprachen zu betreiben behaupteten, fast die Hälfte der Exemplare noch nicht verkauft habe, wegen der Unwissenheit oder Dummheit seiner Zeit, die sich auf alles Eitle (Neue habe er sagen wollen) stürze und sich um das Alte nicht kümmere (zu dieser Stelle findet sich die ungewöhnliche Marginalie, dass innerhalb von 64 Jahren, d.h. von 1499 bis zur Niederschrift dieser Vorrede, kaum 3000 Exemplare verkauft worden seien, woraus wir wohl schliessen dürfen, dass Wolf für 1499 und 1514 mit Auflagen von je 1000 Exemplaren rechnet und für die Basler Ausgabe von 1544 ihm eine Auflage von 2000 Exemplaren bekannt ist, was für alle drei bei diesem Werk erstaunlich hoch ist). Was für ein Meer von unnützem Zeug werde Jahr für Jahr verkauft. Überheblich, wer Suidas nicht kenne. Wer ihn nur oberflächlich kenne, werde meinen, nur Worterklärungen darin zu finden. Dieser Meinung sei auch er gewesen, so lange er ihn nie im Zusammenhang gelesen habe, sondern jeweils über seine Einfachheit enttäuscht gewesen sei, wenn er wegen einer dunklen Stelle in einem Autor in ihm nachgeschlagen habe. Im folgenden sucht Wolf die Person des "Suidas" zu bestimmen: vornehmen Standes, laut einigen Mönch, nicht allzu alt, da er seine Chronologie bis zum Jahre 1018 geführt habe, vor kaum 300 Jahren, da er den Logotheten Metochites zitiere (Theodoros Metochites, 1270-1332). Er habe die Sachen und die Wörter in alphabetischer Reihenfolge behandelt, um zugleich Verstand und Sprache zu bilden. Sachen, Verstand und Wörter seien von Natur aus eng verbunden. Der menschliche Geist betrachte und erkenne die Sachen auf der Welt durch ein göttliches Licht der Vernunft, kennzeichne sie, spreche sie aus und teile sie mit. So diene die Erkenntnis der menschlichen Gesellschaft, zu der der Mensch von Natur und durch seine gegenseitige Hilfsbedürftigkeit geführt werde (so lautet zufällig der Titel einer Basler Antrittsvorlesung jetzt vom 24. Januar 1992 "Wörter und Sachen im sozialen Kontext - eine Herausforderung für die Linguistik"...). Daher empfehle er seinen Hörern oft, gerade die ausführlichsten griechischen, lateinischen und eigensprachlichen (d.h. in Augsburg: deutschen) Lexika fleissig zu lesen und miteinander zu vergleichen und, wo nötig, auf einem leeren Blatt Merkenswertes oder in Zukunft Nützliches zu notieren, unter Beifügung der Bandsignatur (der Bibliothekar!), und sich so von jung auf einen Vorrat für die Vergesslichkeit des Alters zu schaffen. Diese alphabetische Darbietung des Wissensstoffes (locorum communium) sei die geeignetste für die Jugend. Hätte er in seiner Jugend doch auch schon diesen Rat bekommen und die jetzige Menge bester Bücher zur Verfügung gehabt! Welchen Leseschatz er dann jetzt vorrätig hätte, der durch die Vielfältigkeit seiner Arbeit grossenteils wieder verloren gegangen sei und nur mit grösster Mühe, und nicht immer mit Erfolg, gesucht werden müsse. Oft wisse er sogar nicht mehr, ob und wo er etwas gelesen oder gehört habe. Da hülfen ihm seine Bücher mit seinen Randbemerkungen. Wenn er in seiner Jugend weniger auf sein Gedächtnis vertraut hätte, hätte er jetzt mehr Wissen zur Verfügung und mehr freie Zeit. Dies zur Ermahnung der Jugend. Ähnliches habe Suidas im Sinn gehabt. Solche Werke bildeten erstens eine reichhaltige und ausführliche Grammatik, brächten aber vor allem durch Beispiele aus den besten Autoren viel Wissenswertes bei, wodurch nebenbei viel Hilfreiches für alle Fächer gelernt werde. Und da es Suidas mehr um eine Erklärung wichtiger Sachen als von Wörtern gegangen sei, werde kein anständiger Kritiker das Studium des Barons noch seine Arbeit tadeln. Und wenn auch ebenfalls hier manches fehle, anderes überflüssig sei (in welchem Werk gebe es das nicht), so sei doch viel Wissenswertes enthalten. Im folgenden gibt Wolf die Meinung des Demetrius Chalcondylas aus seiner vor 65 Jahren erschienenen Ausgabe in lateinischer Übersetzung wieder: Nutzen für jung und alt, für alle Disziplinen, Quelle nicht nur für Worte der Historiker und Redner, sondern auch vielfältigste Geschichten, die man sonst nicht leicht finde, da die griechischen, römischen und hebräischen (!) Bücher, denen sie entnommen seien, zugrunde gegangen seien. Dazu Philosophie, Naturkunde, Dialektik, Ethik, Beispiele grosser Männer zur Nachahmung und deren Gegenstücke. Als Würze Sprichwörter und Traumdeutungen. Bis dahin sei das Werk in Griechenland und Italien selten gewesen, ein Schatz, ein Füllhorn für seinen Besitzer, nun aber sei es für alle, dank der Druckkunst, billig zu haben. Daher, knüpft Wolf wieder an, sei das Werk lesenswert, habe der Baron es sich so sehr gewünscht, habe er es nicht aufs Geratewohl ins Lateinische übersetzt. Und angenehm zu lesen sei es gewiss. Nur die lateinische Übersetzung gebe er heraus, um nicht der um die Wissenschaft verdienten Frobenschen Offizin Ärger zu bereiten (wir wissen von oben, dass diese erst die Hälfte der griechischen Ausgabe von 1544 verkauft hat), sowie damit die des Griechischen Kundigen eher auf den Kauf des griechischen Suidas als auf den lateinischen hingewiesen würden und die nur des Lateinischen Kundigen sich nicht mit unnötigen Ausgaben mit einem überflüssig dicken Buch belasteten. Die Erklärung von Wörtern und Beispielen, die nicht merkenswert seien, habe er weggelassen; Sachen zu behandeln, nicht Wörter zu erklären, habe er sich vorgenommen gehabt. Jene fänden sich in überall verbreiteten Wörterbüchern, meist gewissenhafter und breiter dargestellt. Er habe sich bemüht, nichts Wesentliches auszulassen, auch leichte Spässe nicht. Der Leser, nicht der Übersetzer müsse Freude haben. Die Geschmäcker seien verschieden. Durch Vollständigkeit könne man am ehesten pedantische Kritiker besänftigen. Unsicherheit und Unkenntnis habe er, häufig, durch Sternchen eingestanden. Wenn einer diese entferne und an ihre Stelle ebensoviele Sonnen setze, d.h. das Verderbte verbessere, das Dunkle erkläre, die Lücken ergänze und das Mehrdeutige bestimme, werde er ihn als Könner anerkennen. Doch sollten die Neider nicht behaupten, diese Arbeit sei eher einem Primarschüler als Wolf aufzutragen gewesen. Suidas bringe Stoffe aus allen Disziplinen; die Gelehrten wüssten, wie schwer oft, oder gar nicht die Begriffe ins Lateinische zu übersetzen seien. Unzählige Zitate (die Namen der Autoren oft gar nicht genannt) zeigten unterschiedlichste Stile, manche (besonders neuere) gekünstelt. So habe er ein Chamäleon werden müssen, je nach Boden die Farbe wechseln, oft unlateinische, geschweige denn unciceronianische Wörter verwenden. Wer seine Wortbildungen wie identitas, essentia, substantia nicht schätze, solle die Armut der lateinischen Sprache, die Vielfalt des Stoffes anklagen, nicht ihn der Unwissenheit. Die Durchsicht des Werkes habe der Drucker übernommen, dem er seine Abschriften und Niederschriften in Abständen habe schicken müssen (dass hier im Durcheinander der Pestzeit einiges ungeschickt herausgekommen ist, erfahren wir dann in der Widmung von 1581: s. unten). Der hervorragende Gelehrte Wilhelm Xylander, Lehrer (doctor) der griechischen Sprache und der Aristotelischen Philosophie an der Universität Heidelberg, habe, als er ihm freundschaftlich von seiner Arbeit berichtet habe, ganz in seinem Sinn aus ähnlichen Autoren, d.h. Lexika und griechischen Kommentaren, von Suidas Ausgelassenes ergänzen wollen (1577 erscheint Xylander bei Heinrich Petri als Herausgeber einer neuen Auflage des Lexikon Hellēnorōmaïkon, doch ohne neue Beigaben). Doch diese Arbeit hätte drei Jahre gebraucht und die habe er seinem Leben nicht mehr gegeben (auch hierzu erfahren wir einiges in der späteren Widmung, zur Arbeitshaltung und Lebenserwartung in der Pestzeit). Er danke Gott, dass er ihn in der um ihn herum wütenden Seuche bewahrt habe, dass er das Buch nicht unvollendet habe zurücklassen müssen. Wer wolle, könne es erweitern. Er sei durch das Hinundher- Überlegen, Ändern, Niederschreiben, Umschreiben, Verbessern so erschöpft, dass er nötig Musse brauche und von seiner Arbeit genug habe. Er werde älter, die nie gut gewesene Gesundheit nehme täglich ab. Sehkraft, Unternehmungslust, Gedächtnis nähmen ab, früh, doch bei seinem beschwerlichen Leben nicht zu verwundern. Er sei nahe der fünfzig (geb. 1516). Kränze habe er keine verdient, aber viele Schläge bekommen. Den Rest seines Lebens wolle er dem Unterricht der Jugend und seinem öffentlichen Amt (d.h. der Stadtbibliothek und dem Gymnasium) widmen (schon 1565 ist Wolf von diesem Verzicht auf weitere philologische Tätigkeit abgekommen: s. unten). Der Baron möge das ihm gewidmete Werk günstig aufnehmen. Worauf Wolf sich - mit einem Lob seines Sohnes Jakob - seinem und seines Schwagers Caspar Breuner Schutz empfiehlt.
Dieser Widmungsvorrede folgt noch, vom selben Tag, ein 1581 ebenfalls, vor dem Text, wieder abgedruckter Hinweis des Übersetzers an den Leser, dass er - ähnlich wie er ja anderes, was ihm unwichtig geschienen hat, auch in der Suda selber weggelassen hat - das Büchlein über das Kriegswesen weggelassen habe (die Hermēneia tōn epistrateumatōn, kai polemikōn parataxeōn phōnōn, im Basler Druck von 1544 [GG 84] auf den letzten vier Seiten), da ihm - im Latein - die entsprechenden Begriffe gefehlt hätten und, vor allem, da das meiste im Suidas selber, unter dem betreffenden Buchstaben, erklärt sei. Ausserdem finde man alles korrekter in dem unter den Schriften Ciceros überlieferten Büchlein über das Kriegswesen und bei Vegetius und andern Kriegsschriftstellern. Schliesslich müsse er gestehen, dass er, wie auch immer er das übersetze, seine Übersetzung ohne Beherrschung der griechischen Sprache nicht einmal selber genügend verstehen würde. Andern wolle er aber nicht im Wege stehen.
Von Wolfs letztem, seinem 65. Geburtstag, den Iden des August 1580 - er ist, zuletzt von Krankheiten heimgesucht, am 8. Oktober 1580 vor dem Erscheinen seiner Neubearbeitung gestorben - stammt seine Widmung der neuen Ausgabe an den Sohn Carl und Enkel Jacob Villingers, Jacob Villinger ("in Suidam recognitum & auctum"). Als nicht Unwesentlichstes erfahren wir aus ihr, dass Wolf damals mit dem Drucker Eusebius Episcopius, da nicht mehr auf einen zu grossen Restposten der griechischen Ausgabe von 1544 Rücksicht zu nehmen war, eine zweisprachige Ausgabe geplant hat. Hat Wolf die Bearbeitung des griechischen Textes nicht mehr vollenden können? Eher hat wohl Episcopius doch noch, nach dem Tod Wolfs, auf einige verbliebene Exemplare von 1544 oder, aus der Erfahrung von damals heraus und mit einigen Werken Wolfs (s. unten), einfach auf seine Finanzen Rücksicht genommen, da Wolf seine Widmung im August 1580 doch wohl erst nach Abschluss der Arbeiten an beiden Texten - wie solches üblich - verfasst hat. Eusebius Episcopius hat, nach Studien an der Basler Universität 1553/54, 1565 mit seinem älteren Bruder Nicolaus zusammen, nach dessen Tod noch in diesem Jahr allein in Basel gedruckt, 1568 die Offizin seines Stiefonkels Johannes Herwagen (d. J.) hinzuerworben und bis gegen 1599 gedruckt.
Was sein Vater, beginnt Wolf seine neue Widmung, vor sechzehn Jahren, ohne jegliche Kosten zu scheuen (von seltener Grosszügigkeit ihm und Oporin gegenüber), gewünscht habe, das geschehe jetzt wider sein, Wolfs, Erwarten. Denn damals sei seinem Wunsch die Menge der griechischen Exemplare (Graecorum Codicum), die im Frobenschen Bücherlager (in Frobeniana bibliotheca) noch übrig gewesen sei, entgegengestanden. Nachdem die meisten Exemplare nun verkauft seien, habe der tüchtige und um die Herausgabe der besten griechischen und lateinischen Schriftsteller wie um die würdige Weiterführung der ererbten Offizin bemühte Eusebius Episcopius ihn gebeten, den griechischen Suidas zu verbessern und seiner Presse vorzulegen und dadurch seine Einbusse durch langsamen Verkauf einiger seiner Schriften wieder gutzumachen (er verdanke seinem Wohlwollen viel, dass er seine Werke nach dem Tod Oporins - Oporin hat seine Druckerei Ende 1567 verkaufen müssen und ist im Juli 1568 gestorben - mit grossen Kosten und unbestimmten Verkaufsaussichten in diesen unruhigen Zeiten drucke und seine Arbeit wegen seiner - Wolfs - schlechter finanzieller Verhältnisse grosszügig entlöhnt habe). Höchst unangenehm sei es, dass der Erfolg seiner Erwartung nicht entsprochen habe und man statt erhofften Gewinns und Dankes Schaden und Verachtung erlitten habe. Mit nichts habe er weniger rechnen können, als dass nach dem grossen Erfolg seiner frühen, weniger ausgefeilten Schriften, die in Italien, Frankreich und Deutschland mehrmals gedruckt worden seien, die kritischeren, gelehrteren und sorgfältig ausgearbeiteten späteren unbeachtet blieben, zumal er im Jahre 1565, als er von der Stadt Augsburg zu Anschaffungen für die Stadtbibliothek nach Frankfurt gesandt worden sei, in Oporins mit Büchern aller Art angefülltem Laden kein einziges Blatt von seinen Schriften mehr übrig gesehen habe. Das habe ihn angestachelt, in der fast aufgegebenen Schreibtätigkeit (s. die diesbezüglichen Äusserungen gegen Ende der Vorrede von 1564) fortzufahren, und er habe vertraut, dauerhaftere Denkmäler als Erz (mit Horaz zu sprechen - aber mit peinlichem Setzerfehler "peremiora") zu schaffen. Allein für die Kollation der verschiedenen Vorlagen und die Ausarbeitung der griechisch-lateinischen Aeschines- und Demosthenesausgabe (bei Eusebius Episcopius 1572 erschienen [GG 230]) habe er volle drei Jahre Tag und Nacht gearbeitet. Ohne zu prahlen dürfe er wohl sagen, dass in dieser Art kein ähnlich fein gedrucktes, getreuer übersetztes Werk auf so grossem und schönem Papier erschienen sei (in folio). Wenn zu seiner Jugendzeit (also um 1525-30) irgendwo wenige Seiten eines griechischen Autors griechisch und lateinisch erschienen seien, seien sie von der studierenden Jugend wie vom Himmel gefallene Gaben aufgenommen worden. Jetzt bereite gerade die Menge des Verfügbaren Überdruss: je grösser die Gelegenheit, beide Sprachen und die Wissenschaft fast ohne Anstrengung und Kosten zu lernen, sei, umso grösser die Trägheit und Verachtung gerade des Besten. Doch vom Kauf dieses grossen Buches schrecke Wenigerbemittelte vielleicht die Höhe des Kaufpreises ab. Aber warum kümmerten sie sich nicht um das Demosthenes-Muster, das gerade für sie bestimmt sei? Darin hätten sie die drei Olynthischen Reden in verschiedenen Übersetzungen, die leichteste Methode, die beiden Sprachen zu lernen, Plutarchs, Lukians, des Libanius und Suidas kleine Schriften, angenehm und aus Sach- wie Stilgründen nützlich zu lesen (1569 bei Episcopius erschienen [GG 229]). Im Schulunterricht könne dieses Büchlein bei gewissenhafter Erklärung sehr geschickt die jungen studiosi belehren und zur eigenen Lektüre der guten Autoren vorbereiten. Bald darauf seien die Gnomologia Demosthenica und Isocratica gefolgt (1570 [GG 231] bzw. 1572 [GG 224]), beide voller herrlicher Merksätze und Redeweisen zum genauen Erlernen. Aber sie lägen da (wie er höre) und fänden nur wenige Käufer (und finden sich auch heute wie auch das Specimen z. B. nicht in der British library...). Weshalb? Sei seine Jugend anerkennenswert, sein Alter verachtenswert? Seien es die andauernden Kriege, welche die Wohnstätten verwüsteten, den Gesetzen die Achtung und den Musen die Musse entzögen? Daran sei etwas, aber das sei nicht alles. Denn da die unnützesten und streitsüchtigsten Bücher gierig gekauft würden, sei es klar, dass es nicht am Geld, sondern am Urteilsvermögen fehle und durch eine gewisse Verkehrtheit des Geistes die gelehrten und beredten Schriften der Alten nicht geachtet, und nur diejenigen gefeiert würden, die würdelosesten Kreaturen Reichtum und Würde eintrügen, während die Kenntnis der gelehrten Sprachen und der Freien Künste mitsamt der Philosophie, ohne welche drei (wiesehr viele auch mit aufgeblasenen Titeln prahlten) eine wahrhafte Bildung weder erworben werden noch bestehen könne, fast zu den Antipoden verbannt werde. Obwohl ihn diese Stürme des Jahrhunderts in seinem Alter, von Krankheiten und Arbeit erschöpft, zur Musse treiben müssten, habe er, da er sich nicht für sich allein, sondern für die Wissenschaftsrepublik (reipublicae literariae) geboren sehe, Episcopius zu Gefallen nicht nur mühsamer als jedes andere Werk den griechischen Suidas verbessert (die gleiche Arbeit falle im Alter bedeutend schwerer als in der Jugend), sondern, nicht weniger anstrengend, auch den lateinischen korrigiert und ergänzt (und die Arbeit am griechischen Text war dann, wie wir gesehen haben, erst noch für die Katz; eine griechische Suda ist erst wieder 1619 in Genf erschienen). Denn als er gehört habe, dass gewisse Pariser Drucker seine Übersetzung (von 1564) nachzudrucken planten, habe er nicht zögern dürfen, da diese an vielen Stellen höchst fehlerhaft sei und keinen Index - wie er jetzt reichhaltig beigegeben werde - habe (in Paris ist in diesen Jahren keine lateinische Suda erschienen; wäre es die Ausgabe geworden, die Hadrianus Iunius geplant haben soll?). Der Grund, weshalb jene frühere Übersetzung so fehlerhaft sei, sei die Pest gewesen, die damals sowohl um sein Haus herum (d.h. in Augsburg) wie in Basel im Hause Oporin gewütet habe, so dass sie beide, durchaus menschlich, jeden Augenblick den Tod zwar nicht gefürchtet, aber doch unruhig erwartet und nicht die Ruhe besessen hätten, die es brauche, um etwas Lobenswertes auf irgendeinem Gebiet zu schaffen. Zudem habe Oporin in jener betrieblichen Unordnung (perturbatione familiae) und bei ständigem Wechsel der Arbeiter seine (wie häufig bei einem ersten Entwurf) bunt interpolierten, verworrenen, oft für ihn selber schwer zu entziffernden Manuskripte benützen müssen, da er die Blätter, die er ihm, sauber abgeschrieben, gesandt gehabt habe, verloren gehabt habe (Episcopius konnte jetzt hingegen sogar gewiss, wie bei Neuauflagen eines schon existierenden Textes üblich, den Setzern ein un- oder ausgebundenes von Wolf korrigiertes und ergänztes Exemplar des Druckes von 1564 vorlegen; auf die Pest von 1564 weist auch ein Epigramm Wolfs auf der Titelseite De priore et hac editione hin). Daraus seien die zahlreichen Fehler entstanden, so dass er selber seine Übersetzung an vielen Stellen nur mit Hilfe des griechischen Originals habe verstehen können. In dieser Lage habe sein Ruf es verlangt, zur Heilung jener Fehler der ersten Ausgabe sogar Schlaf und Gesundheit einzusetzen. Ob er von denen, die überall nach einem lateinischen Suidas riefen, Dank ernten werde, wisse er nicht; er sorge sich auch nicht gross darum, zufrieden mit der Erfüllung seiner Pflicht. Ihn habe er an der Schwelle zu diesem erneuerten und stark erweiterten Werk ansprechen wollen und er würde sich freuen, wenn er es gleich freundlich und grosszügig entgegennehme wie seinerzeit sein Vater. - Keine zwei Monate nach der Niederschrift dieser Widmung ist, wie wir oben gesehen haben, Wolf gestorben; den Druck, zumindest den Anschluss des Druckes und das Erscheinen dieses seines letzten - dann noch halbierten - Werkes hat er nicht mehr erlebt.
Das erst 1935 in die Basler Bibliothek gelangte Exemplar hat 1605 ein Henricus Lücherus (?) erworben, 1810 ein Ern. Zimmermann in Gerav: B c II 169.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc II 169