GG 229

Demosthenis recogniti Graecolatini, una cum Aeschine, brevi, Deo fortunante, edendi specimen: Olynthiacae orationes tres, et vita Demosthenis atque Aeschinis, cum Annotationibus & Gnomologijs: Hieronymo VVolfio, Oetingensi, Autore... Basel: Eusebius Episcopius in der Officina Hervagiana 1569. 8°.

Auf die erste Basler Ausgabe der Reden des Demosthenes bei Herwagen von 1532 (GG 225) ist 1543 in Venedig die erste Ausgabe in Oktavformat, in drei Bändchen, bei Francesco Brucioli gefolgt. Sie wurde schon 1547 von Herwagen mit Korrekturen von Pierre Danès und Vincentius Obsopoeus, nochmals 1554 in Venedig von Paulus Manutius, dem Sohn des Aldus sehr unsorgfältig nachgedruckt. 1569 erscheint hier, als "specimen" für eine griechisch-lateinische Gesamtausgabe der Reden des Demosthenes und - als erster Gesamtdruck - des Aeschines, die dann 1572 bei Eusebius Episcopius in Basel erschienen ist (GG 230), beim Nachfolger von Vater und Sohn Herwagen in deren Offizin, ebenfalls schon beim jungen Eusebius Episcopius, unser Druck von immerhin 759 engbedruckten Oktavseiten (ohne Vorreden und Index gerechnet). Er enthält - eben als Muster - griechisch und lateinisch parallel gedruckt die drei olynthischen Reden, die in Strassburg in diesen Jahren mindestens sechsmal bei Josias Rihel als wohlfeiles Schulbuch "in usum puerorum bzw. adulescentum" 1557, 1561, 1564, um 1568, 1570 und 1572 erschienen sind. Hier erscheint sie als reich kommentierte wissenschaftliche Publikation mit griechischen bzw. lateinischen Scholien, anschliessend die Kommentare Ulpians (wie 1532), sodann Annotationes Wolfs hierzu, griechische Gnomologien aus Ulpians Kommentar, ein Wiederabdruck von lateinischen Gnomologien und Annotationes zur ersten Olynthie mit deren Vorrede von 1550 und 1554, dort an Johann Jacob Fugger gerichtet, hier nun anonym, und Wolfs Briefwechsel mit Carinus vom August 1550 (aus der Ausgabe von 1554), griechische Scholia Wolfs zu den drei Olynthien, eine griechische Gnomologia aus den drei Reden, schliesslich zweisprachig Texte des Libanius, Plutarchs und Lukians sowie aus der Suda zu Demosthenes und Aeschines und Annotationes Wolfs hierzu. Druckvorlage für die Demosthenes-Biographien Plutarchs und des Libanius sowie für den Text der drei olynthischen Reden hat Herwagens Folioausgabe von 1532 gebildet, in deren Basler Exemplar, das auch seinen Einband - zumindest seinen jetzigen Einband - erst in den 1570er Jahren erhalten haben dürfte, das zu diesen Texten Ergänzungen und Angaben für den Satz der Scholien Ulpians von der Hand Wolfs mit der Feder sowie Setzerangaben zu den Seitenwechseln unserer Ausgabe aus der Offizin mit Silberstift enthält. Im übrigen werden von Wolf in der Basler Bibliothek über 200 Briefe, darunter einige teilweise in griechischer Sprache, vor allem an Oporin und Theodor Zwinger, aufbewahrt, fast sämtlich noch unpubliziert.

Unser specimen hat Wolf am 24. April 1568 aus Augsburg seinem jüngeren Bruder, dem Nürnberger Arzt Heinrich Wolf (1520-1581), gewidmet: Er sende ihm dieses Muster der Textherstellung und Erklärung des Demosthenes als sachlichem und strengem Richter, damit er rechtzeitig sein Urteil erfahre, ob Fehlendes zu ergänzen sei, Überflüssiges wegzulassen, Unschönes zu verbessern, in Ordnung zu bringen. Er gehöre nicht zu denen, die keine Kritik vertrügen. Er nehme gern Urteile entgegen. Er ziehe Kritik von Gelehrten dem Lob pedantischer Kritiker vor. Deren Bestrafung überlasse er hingegen Gott. Doch die andern überwögen, wie auch ihre Briefe an ihn zeigten. Und schliesslich sei seine Übersetzung (des Demosthenes) innert 18 Jahren zweimal in Basel und einmal in Venedig erschienen und vergriffen und werde von den Studiosi wieder verlangt (undatiert um 1549 in folio [GG 226] und um 1553/54 in octavo [GG 227] bei Oporin, 1550 in octavo in Venedig; 1572 dann in Basel die zweisprachige Ausgabe [GG 230]). Warum ersetzten denn jene attischen und ciceronianischen Redner, die seine Übersetzung zutiefst verdammten, sie nicht durch eine bessere eigene? Was er von ihr halte, habe er in Versen und Vorreden bescheiden ausgedrückt. Er habe keineswegs mit Isokrates und den übrigen Rednern, Philosophen und Historikern, die er ins Lateinische übersetzt habe, in einen Wettstreit der Redekunst treten wollen, oder den Studiosi die griechische Ausgabe nehmen wollen, sondern gerade durch das Wagnis seiner Übersetzung ihnen die Angst vor den Schwierigkeiten ihrer griechischen Lektüre nehmen. Dass dieser Versuch nicht vergeblich gewesen sei, bezeugten die Universitäten der gesamten christlichen Welt bis nach Gades; sie seien auch nicht auf den Index gelangt (immerhin hat im Basler Exemplar der Ausgabe von ca. 1549 ein zeitgenössischer Besitzer - somit in katholischem Gebiet - auf der Titelseite und überall in der Hauptwidmung - nicht in der zum Kommentar Ulpians im zweiten Teil - den Namen Wolfs sicherheitshalber geschwärzt). Und seine Byzantinische Geschichte habe die Bibliothek von Byzanz in Ehren und Hochschätzung aufgenommen. Zum sechsten Mal sei der Isokrates mit seinem Kommentar schon im Druck (sogar achtmal war seine Übersetzung bis damals schon erschienen: 1548 bei Oporin [GG 216], 1552 in Lyon, 1553 in Paris, 1566 in Augsburg, mit dem griechischen Text bei Oporin 1553 [GG 218], 1558 und August 1567, in Dortmund 1558, gerade im Druck bei Oporins Nachfolgern Gemusaeus und Han, erschienen März 1570 [GG 219]; dann, allein bis 1600, bei diesen wieder 1571, 1582, 1587 und 1594 sowie 1593 in Genf). Würden die Drucker und Buchhändler wohl für nichts Arbeit und Geld in so viele tausend Exemplare stecken? Und die Leser sie kaufen? Aber deren Ruhm gehöre auch nicht ihm, sondern jenen Autoren. Doch viele gestünden freimütig, dass sie sie ohne seine Übersetzungen nie griechisch gelesen hätten. Bei denen habe er sein Ziel erreicht. Jene deutschen Übersetzungen einzelner kleiner Reden Ciceros hingegen verdienten nicht einmal einen Kleinen Triumph; das seien nichts als schlecht zusammengesetzte Bilder, Centones, Ciceros und des Demosthenes unwürdig. Sie würden nur bewirken, dass er seine Arbeit noch weniger bereue. Sein Bruder möge dieses Werk denn auch nicht nur als brüderliche Erinnerung an ihre gemeinsamen Studien, sondern mit sachlicher Kritik entgegennehmen. Es gehe um ihrer beider Ruf: dem Bruder habe seine Ehe nur Töchter geschenkt, ihm sein eheloses Leben keine Söhne; so müssten ihre Bücher für das Weiterleben ihres Namens einstehen, und dies ruhmvoll, nicht mit Schande. Zu Hause durch seine ärztliche Tätigkeit, dazu von Adel und Fürsten weggerufen, habe er viele Jahre keine Zeit für Bücher gehabt. Dazu gratuliere er ihm. Doch es gebe Wege zu Studien, besonders im Winter dank den kürzeren Tagen. Er habe so schnell alles bei den Philosophen und Ärzten sowie den Redelehrern, vor allem bei Camerarius (Tübingen) und Sturm (Strassburg), mit Notizen erfasst, dass das sich nicht aus seinem Innersten wieder habe verflüchtigen können (die Vorlesungen wurden nach Diktat der Professoren von den Studenten aufgeschrieben). Und wenn sein Bruder sich auch auf seinen Rat hin zu einem ernsthaften Studium beider Sprachen entschlossen habe, so habe doch Gott durch seinen eigenen Fleiss bewirkt, dass er in allen Universitäten Deutschlands und Frankreichs berühmt sei und Ehren empfange. So habe er keine Entschuldigung, seinen Wunsch nicht zu erfüllen. Wenn er wirklich verhindert sei, möge er seine gelehrten Freunde um ihre Urteile bitten und sie ihm mitteilen. Ihm gegenüber würden diese ihre Meinungen ehrlicher äussern. Er unterscheide Verleumder und Mahner.

Ex libris Academiae Basiliensis: B c VIII 82

Zum ersten Basler Demosthenesdruck von 1547: In der Vorrede zu seiner in Basel nicht vorhandenen dreibändigen Oktavausgabe von 1547 weist Herwagen die Studiosi darauf hin, woher er so korrekte Vorlagen erhalten habe, denn die Namen der Autoren bürgten - wie die Namen des deutschen Malers Dürer, des Italieners Titian - für Qualität, und umgekehrt verdienten diese ihren Ruhm. Er sei in der Ausgabe Exemplaren und Korrekturen des Franzosen Petrus Danesius (1497-1577, 1530 Professor für Griechisch am Collège Royal, 1535-1546 in Venedig, seit 1546 Botschafter Franz I. am Konzil von Trient) und des Deutschen Vincentius Obsopoeus gefolgt - wohl deren zugesandten Handexemplaren -, was eine korrekte Ausgabe garantiere. Er spare keine Kosten und Mühen, ihnen die berühmtesten Autoren beider Sprachen im alten Glanz wieder zur Verfügung zu stellen. Nach S. F. G. Hoffmann habe Wolf die Ausgabe anhand dieser Korrekturvorschläge besorgt; ihn nennt Herwagen allerdings in seiner Vorrede vom 1. Januar 1547 nicht, und er weilte damals wohl auch in Strassburg.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc VIII 82

Illustrationen

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Titelseite

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2ar: Vorrede des Hieronymus Wolf vom 24. April 1568, 1. Seite.

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2av/3ar: Vorrede des Hieronymus Wolf, 2. und 3. Seite.

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3av/4ar: Vorrede des Hieronymus Wolf, 4. und 5. Seite.

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4av/5ar: Vorrede des Hieronymus Wolf, 6. und 7. Seite.

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5av/6ar: Vorrede des Hieronymus Wolf, 8. und 9. Seite.

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1bv/2br: Anfang der Reden des Demosthenes.

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3Ggv: Kolophon