GG 151

Porphyrii Institutiones quinque vocum, ad Chrysaorium. Aristotelis Categoriae. Eiusdem de Interpretatione Liber. Ioachimo Perionio Cormoeriaceno interprete, una cum eiusdem quoque Annotationibus. His coniunximus in Dialecticae studiosorum gratiam, Michaelis Pselli Peripatetici, Blemmidae, Georgij Pachymerij, in eosdem Porphyrij & Aristot. libros Epitomen, atque Paraphrasin: una cum Compendio de Syllogismis, autoris incerti. Omnia nuper & e Graeco sermone in Latinum translata, et in lucem edita... Basel: Robert Winter August 1542. 8°.

Sammeldruck rund um die ersten (allerdings auch in ihrer Echtheit umstrittenen) Schriften des sog. Organon des Aristoteles. Den ersten und Hauptteil bilden die Einleitung des Neuplatonikers Porphyrios (3. Jh. n. Chr.) zu den Kategorien des Aristoteles, diese Schrift selber und dessen Schrift Peri hermēneias = De interpretatione, alle in neuer lateinischer Übersetzung und mit Kommentar des französischen Benediktiners Joachim Périon. Die Kategoriai sind eine schulmässige Lehrschrift über die zehn obersten Gattungsbegriffe, schon im Altertum wie auch heute in ihrer Echtheit umstritten. Porphyrios soll seine Einleitung dazu auf eine schriftliche Bitte des römischen Senators Chrysaorius hin verfasst haben, der Schwierigkeiten bei der Lektüre der Schrift des Aristoteles gehabt habe; ihm ist die Schrift über die Begriffe genos, eidos, diaphora, idion, symbebēkos, d.h. über den übergeordneten und den untergeordneten Begriff, das unterscheidende, das wesentliche und das zufällige Merkmal gewidmet. Durch die Vermittlung des Boëthius wurde sie zu einem Bestseller des Mittelalters, seit Augsburg 1479 unter verschiedenen Titeln auch schon unzählige Male im Zusammenhang mit andern Werken, vor allem in Deutschland und Italien, in alter Übersetzung gedruckt, ähnlich der Organon-Sammlung und dessen einzelnen Schriften. Griechisch war die Isagoge seit der grossen Aristotelesausgabe des Aldus Manutius von 1495ff. ebenfalls schon mehrmals in Aristotelesdrucken erschienen, als Titelschrift vor der neuen Übersetzung des Joachim Périon, die mit ergänzenden Schriften 1540/41 bei Simon de Colines und Jean Loys de Thielt (Tiletanus) mit Privileg gegen Nachdruck als "ung texte de logicque avec les annotations" erschien, allerdings noch nie (das Basler Exemplar dieses Druckes hat Heinrich Pantaleon - erst 1548 - vom gelehrten Spanier Fernando Diaz Paternan geschenkt bekommen; dann im Besitz von Maximilian Pantaleon, dann Remigius Faesch). Hier folgen ihr die Kategorien selber und mit De interpretatione eine verwandte Schulschrift über den Ausdruck der Rede, Satz und Urteil. Périon (um 1499-1559) stammt aus Cormery in der Touraine, wo er 1517 auch in die Benediktinerabtei eintrat, und hat 1542 in Paris in Theologie promoviert. Schon im März 1542, fünf Monate vor unserm Druck, war beim selben Basler Drucker von ihm auch das 1540 in Paris erschienene zweiteilige Werk einer Übersetzung der Nicomachischen Ethik des Aristoteles mit den folgenden De optimo genere interpretandi in Aristotelis libros Ethicorum... a se latinitate donatos commentarii, mit einer Übersetzungslehre als Vorrede nachgedruckt worden (GG 126). Auch seine Übersetzung des vollständigen Organon, die 1548 und 1551 mit dem Porphyrius zusammen in Paris erscheinen wird, wird 1554 von Oporin in Basel nachgedruckt, seine Dialektik von Paris 1544 von Winter 1545, von Oporin 1554; nicht natürlich seine - antireformatorischen - theologischen Schriften. 1554 erschien von ihm in Paris eine Schrift über den Ursprung der französischen Sprache und ihre Verwandtschaft mit der griechischen. 

Seine hier vereinigten Übersetzungen und Kommentare hat er in Paris am 16. Dezember [1540] dem Bischof von Saint-Malo François Bohier gewidmet: Im vergangenen Sommer seien die zehn Bücher Moralphilosophie des Aristoteles, von ihm ins Lateinische übersetzt und kommentiert, im Namen des Bischofs erschienen, jetzt erscheine der Grundstein des von den Griechen Logik, von ihnen (d.h. der lateinischen gegenwärtigen Gelehrtenwelt) nach Ciceros Vorbild ratio disserendi (Erörterungslehre) benannten Teils, ebenfalls unter seinem Namen. Diese Verpflichtung, für seine Verdienste ihm gegenüber geschuldet, werde unumgänglich jetzt von ihm eingelöst. Denn da er in jenem früheren Widmungsbrief seine Übersetzungen vieler griechischer Bücher erwähnt habe und einige Freunde darunter diese drei festgestellt hätten, hätten sie ihn gedrängt, sie zu veröffentlichen. So habe er sie früher als vorgesehen herausgegeben, und dies umso lieber, um nach der guten Aufnahme jener Bücher zu erfahren, was man hier von ihm erwarte (der erste Teil des Druckes von 1540 wurde schon nur in Basel nach dem Gesamtnachdruck von 1542 allein 1545, 1552 und 1555 nochmals gedruckt). Denn durch ihre Anerkennung werde sein Eifer im Übersetzen und Schreiben gewaltig angestachelt. Denn wer mache sich schon ans Schreiben, wenn er bemerke, dass seine Schriften ohne Wirkung sein würden. Es wäre ein schändlicher Missbrauch der Zeit und der Wissenschaft (otio & literis). Dennoch sehe er voraus, dass diese drei kleinen Schriften weniger gut aufgenommen würden, denn sie enthielten Unbekanntes, das dem Alltag und der Allgemeinheit fernliege, jene allen nahe Liegendes. Denn wer vermöge nicht über die Tugenden, die Gerechtigkeit, Klugheit, Selbstbeherrschung, Tapferkeit und ihre Gegenstücke von Natur aus zu sprechen? Wer aus dem Volk pflege hingegen über Gattungen, Arten, Unterschiede, Eigenheiten und Aussagen zu diskutieren (in den Fachtermini: die übergeordneten und untergeordneten Begriffe und die unterscheidenden, wesentlichen und zufälligen Merkmale - s. oben) oder deren Kenntnis für wichtig zu halten? (allerdings sind gerade in der zweiten Hälfte des 16. Jh's die Drucke dieser aristotelischen und porphyrianischen Schriften seltener geworden). Daher hätten die ersten römischen Autoren einmal begonnen, jene zu behandeln, diese nie. Als sie gesehen hätten, dass alle ihre Schriftstellerei (oratio) sich nach dem Verständnis des Volkes (ad sensum popularem) zu richten habe, hätten sie erkannt, dass aller Aufwand in der Behandlung der dem allgemeinen Gebrauch fernen Dialektik in lateinischer Sprache vergebliche Mühe wäre. Jeder bemühe sich lieber um die allgemein bekannten Fächer. Daher befassten sich fast alle philosophischen Bücher Ciceros mit diesem ihrem Teil. Daher sei es leichter gewesen, die Leute zur Lektüre der Dinge zu verlocken, von denen sie gerne sprächen, zumal man dabei jenem grossen Vorbild folge. Zum Studium dieses Teils aber, der sich mit Ungebräuchlichem und Dunklem befasse, könne man nicht so leicht anregen, zumal man auch selber der günstigen Umstände entbehre und die struppigen Stoffe keine glanzvolle Darstellung kennten. Daher habe Cicero, wo er in der Schrift über den Redner einige Gedanken aus diesem Fach behandelt habe, die Dialektik hässlich und dornig genannt, so dass man einigen Redeschmuck anwenden müsse. Das sei jenem leicht gefallen, ihm höchstens mühsam durch seine Nachahmung erreichbar. Doch um nicht schon zu Beginn alle von diesem Studium scheinbar abzuschrecken: sie sollten es so verstehen, dass er durch tägliche Betrachtung der von Cicero aus dem Griechischen übersetzten Stellen es erreicht habe, dass er sich auf allen Gebieten der Griechen als nicht ungeschickter Übersetzer bezeichnen dürfe. Wie ein jeder das erreichen könne, habe er in seinem Buch über die beste Übersetzungsweise beschrieben (in der oben angeführten Praefatio zum Kommentar der Nikomachischen Ethik und diesem selber). Wenn er diesem, wie geplant, das Buch über die beste Weise, die Redner zu übersetzen, beigefügt haben werde, das er zusammen mit Gegenreden des Aeschines und Demosthenes, die er seit sechs Jahren im Konzept vorliegen habe, herausgeben wolle, werde nicht nur denen, die hierauf warteten, Genüge getan, sondern auch sein auch hier verfolgter Plan vollendet sein (dieses Werk ist 1554 in Paris erschienen). Worauf Périon sich für die breite Erörterung seiner persönlichen Vorhaben entschuldigt und den Bischof - und mit ihm natürlich alle Leser - nochmals erinnert, dass es nicht an ihm, sondern am Stoff liege, wenn sie in den drei hier vorliegenden Übersetzungen (die mit ihren ausführlichen Kommentaren natürlich nicht mehr für den blossen obligaten Anfängerunterricht gedacht sind) weniger stilistischen Glanz finden würden als in der vorangegangenen. 

Der Drucker hat diesen Übersetzungen und Kommentaren des Perionius als zweiten Teil seines Sammeldrucks von Übersetzungen und Kommentaren zum ersten Teil des Organon eine "Zusammenfassung und Kommentar" byzantinischer Schriften zum selben Thema beigefügt: die Praefatio des Michael Psellus zu Porphyrius und sein "Compendium", zwei inhaltsverwandte kleine Schriften des Nicephorus Blemmydes und des Georgius Pachymerius sowie, als umfangreichstes Werk die gerade 1541 in einem lateinischen Druck der Schrift des Aristoteles selber in Venedig erschienene Paraphrasis (umschreibender Kommentar) des Psellus zu De interpretatione (griechisch war diese 1503 in einem Sammeldruck des Aldus Manutius mit Kommentaren zu Peri hermēneias - Ammonios Hermeiou u.a. - erschienen, den in Basel damals Bonifacius Amerbach besass). Schliesslich, von Conrad Gesner mit Widmung an Otho Werdmüller, Professor der Philosophie an der Hohen Schule in Zürich, von Zürich, August 1542, die erste lateinische Übersetzung einer anonymen griechischen Schulschrift über die Syllogismen: Vernunftschlüsse. Um ihrer Freundschaft willen möchte er mit einem wissenschaftlichen Geschenk sowohl ihm privat eine Freude bereiten wie in seinem Namen den Studienanfängern, so gut er könne, nützen. Daher habe er das griechische Lehrbuch eines unbekannten Verfassers über die Syllogismen lateinisch übersetzen und ihm widmen wollen, das jener als synopsis peri syllogismōn betitelt habe. Eine synopsis sei es bei den Griechen, wenn ein weitläufiger Stoff knapp zusammengefasst und mit einem Blick überschaubar dargestellt werde. Dieses Verfahren sei in allen Fächern überaus nützlich, nicht nur für Anfänger, denen man vor der ausführlichen Behandlung einer jeden Sache deren Zweck und Nutzen vor Augen stellen solle, sondern auch als Gedächtnisstütze jeder Art für jene, die sie schon behandelt hätten. Wer nehme daher solches nicht gerne entgegen? Zu loben sei auch der Autor, der trotz seiner Kürze nicht dunkel - schwerverständlich - geworden sei, denn die Kürze sei sonst oft der Dunkelheit nahe. Diese Schrift aber könne sogar Kindern vorgelegt werden, als Einführung in die Schriften des Aristoteles. Von Anfang an unterscheide der Autor genau die Vordersätze (propositiones) mit ihren Umständen (accidentia), dann streife er geschickt alle Arten und Unterschiedlichkeiten der Erörterung, die unbedingten und die an Bedingungen geknüpften, alles mit Beispielen. Es habe ihm nicht überflüssig geschienen, die Fachausdrücke in den einzelnen Schlussformen am Rand anzugeben - so hat denn auch die kleine Schrift als einzige in unserm Sammeldruck vom Drucker bzw. Setzer Marginalien erhalten.

B c V 51 Nr. 1

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc V 51:1

Illustrationen

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Titelseite

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Vorrede des Übersetzers und Kommentators Joachim Périons, mit einer Widmung an den Bischof von Saint-Malo François Bohier, 1. Seite.

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Vorrede des Übersetzers und Kommentators Joachim Périons, mit einer Widmung an den Bischof von Saint-Malo François Bohier, 2. und 3. Seite

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Vorrede des Übersetzers und Kommentators Joachim Périons, mit einer Widmung an den Bischof von Saint-Malo François Bohier, 4. und 5. Seite.

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Vorrede des Übersetzers und Kommentators Joachim Périons, mit einer Widmung an den Bischof von Saint-Malo François Bohier, 6. Seite.

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Einleitung des Porphyrios zu den Kategorien des Aristoteles.

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Anfang der Kategorien des Aristoteles.

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Anfang der Schrift "De interpretatione" von Aristoteles.

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Vorrede des Michael Psellus zu Porphyrius.

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Anfang des Kommentars des Michael Psellus zu Aristoteles' De interpretatione.

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Widmung Conrad Gessners an den Zürcher Philosophieprofessor Otho Werdmüller.

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Anfang der lateinischen Übersetzung eines anonymen griechischen Textes über Syllogismen von Conrad Gessner.