GG 187
Theognidis Megarensis Sententiae Elegiacae, cum interpretatione & Scholijs Eliae Vineti. Accesserunt et horum Poetarum opera Sententiosa: Phocylidis Pythagorae Solonis Tyrtaei Naumachij Callimachi Mimnermi Eueni Rhiani Eratosthenis Panyasidis Lini Menecratis Posidippi Metrodori Simonidis. Senariorum libellus. Omnia in usum Scholarum collecta, & ad verbum conversa per Iacobum Hertelium Curiensem. Adiecta quoque est omnium versio Latino carmine a diversis expressa... Basel: Johannes Oporin Januar 1561. 8°.
Im Studienjahr 1553/54 hatte sich der aus Hof im Voigtland stammende Jacob Härtlein (1536-1564, an der Pest) nach Studien im näheren Erfurt 1549/50 an der Basler Universität immatrikuliert. 1555 erwarb er hier den Grad eines Baccalaureus (Jac. Hertelius Curiensis e Variscis), 1557 den eines Magister artium. Bis zu seinem Tod in der grossen Pestepidemie von 1564, der u.a. auch der Drucker Hieronymus Curio und der Herausgeber mehrerer griechischer und lateinischer Autoren Marcus Hopper, Schwiegersöhne des Druckers Heinrich Petri, mit ihren Familien zum Opfer fielen, hat Härtlein dann als Schulmeister zu St. Peter und Diakon gewirkt. Aus dieser Unterrichtspraxis heraus dürfte auch die vorliegende zweisprachige Ausgabe der Elegien - Sententiae, Merkverse - des Theognis, einer Sammlung ''verwandter" lehrhafter oder als Lehren verwendbarer Elegien und Epigramme sechzehn weiterer alter griechischer Dichter (darunter natürlich auch alte Zuschreibungen, die heute nicht mehr gelten) und einer weiteren von Gnōmai monostichoi entstanden sein. Die Gedichte der auf Theognis (dessen Quelle nennt er in seiner Widmung, wie er auch deren alte Vorrede abdrucken lässt: s. unten) folgenden 16 Autoren hat er wohl den 1553 in Paris bei Guillaume Morel erschienen Sententiosa poetarum vetustissimorum quae supersunt Opera entnommen, doch aus andern - zum Teil genannten - Quellen ergänzt, Textvorschläge am Rand vermerkt und metrische Übersetzung durch eine hilfreichere eigene wörtliche ersetzt (zudem neu parallel drucken lassen); die einzeiligen Gnomen hat er dem Anhang der Aesopausgabe Abraham Loeschers bei Herwagen von 1550 (GG 161) entnehmen können, dazu hat er sie übersetzt (die Ausgabe Christoph Plantins, Antwerpen 1564 folgt fast überall den Ergänzungen und Korrekturvorschlägen Härtleins).
Härtlein hat seine Ausgabe Bürgermeistern und Rat der Stadt Saalfeld gewidmet, aus seiner Literarschule zu St. Peter am 25. Januar, an dem Tage, an dem nach gewisser Überlieferung vor 1527 Jahren Paulus von Tarsus von Gott zur Busse gerufen worden sei, seine Feindschaft gegen die Christen aufgegeben und die Lehre Christi angenommen habe, d.h. im Jahre 35+1527 nach römischer Zählweise: 1561. Da im Geist eines Menschen nichts so hafte, wie was er sich von jung an eingewöhnt habe, liege der menschlichen Gesellschaft (universae hominum societatis) ganz besonders am Herzen, dass man, was dem ganzen Leben nützen solle, früh lerne. Da die Jugend beim Guten und Schlechten noch weniger die Folgen beachte, müsse sie von den Erwachsenen zum Ehrenhaften und den Tugenden hingeführt werden. Das geschehe am geschicktesten durch den Freien Unterricht (per liberalem institutionem - d.h. Unterricht in den artes liberales, den Freien Künsten). Keine Natur werde nicht lasterhaft ohne Pflege, keine nicht fruchtbar durch freie Unterrichtung. Da das erwachsene Alter aber weniger prägbar sei als - wie Wachs - die Jugend, seien die edlen Sitten dieser beizubringen. Später verlerne man oder lerne nur mit grösster Mühe. In Anbetracht dessen habe das geschichtskundige Altertum, um die Staaten in Blüte zu erhalten, die Jugend mit den besten Künsten und Wissenschaften, vor allem aber Sitten und Lebenslehren, getränkt. Nicht nur Aristoteles, auch die tägliche Erfahrung lehre, dass Gelehrsamkeit ohne Sittlichkeit eher schade als nütze (somit nicht erst eine Erkenntnis gewisser heutiger Wissenschaftskritik). Sie lasse es nicht zu, wahllos den Knaben Dinge vorzulegen, sondern die Autoren, die Frömmigkeit und Tugendlehren enthielten. Dazu gehörten die Dichter, die grosse Männer als Beispiele dargestellt oder in ganz kurzen Sätzen die Sittenlehre umfasst hätten. Daher stünden sie in höchsten Ehren. Plato zögere nicht, solche Dichter Söhne Gottes oder Propheten zu nennen. Sie habe er, anders als die sittenlosen, nicht ausgetrieben; das zeigten seine ehrenvollen Äusserungen u.a. über Solon, Tyrtaeus, Homer, Hesiod, und Sokrates sei mit Euripides befreundet gewesen. Auch wenn das Studium der wahren Religion und Frömmigkeit nur aus den heiligen Schriften schöpfen könne, sei die Dichterlektüre doch auch zu achten, wie Paulus, Gregor von Nazianz, die Kirchenhistoriker, Johannes Chrysostomus, Eustathius im Homerkommentar, Basilius der Grosse bezeugten. Dessen Worte über diese Dichterlektüre zitiert er in der Folge griechisch ausführlich und mit Übersetzung, ebenso Philo. Noch Lobreden auf die Dichter aus den verschiedenen christlichen Autoren zu sammeln, würde seine Kräfte übersteigen. Auf das Urteil und den Rat so vieler Männer hin bemühe er sich, in harter aber gern geleisteter Arbeit in Bezug auf das Studium der besten Dichter für die Jugend zu sorgen, deren Unterricht seine Aufgabe sei, da dies dazu gehöre. Dem Beispiel des wunderbar kenntnisreichen Altertums, das laut Plato besser und den Göttern näher gewesen sei (wofür Härtlein Philebos 16c zitiert), zu folgen und, soweit man vermöge, andere zu Gleichem zu veranlassen, bereite Freude. Deshalb habe er, da seine Arbeit zu Erhaltung der Schriften der Komiker den studiosi nicht unwillkommen gewesen sei, dem Rat seines verehrten Freundes Johannes Oporin (Compatris ac amici mei observandiss.) zugestimmt, als er ihn ermuntert habe, die Werke der hier vorliegenden Dichter zu sammeln und für den Jugendunterricht (iuventutis studiis) zu veröffentlichen (1560 war bei Oporin seine Ausgabe mit Übersetzung der Ta ek tōn palaiōn kōmikōn n gnōmika sōzomena hellēnisti kai rhōmaïsti erschienen [GG 207]). Theognis als den lehrhaftesten habe er mit der Übersetzung und dem Kommentar des hochgelehrten Elias Vinetus nach der Empfehlung des Druckers vorausgeschickt (die Ausgabe von Vinet war 1543 in Paris erschienen), die Gedichte der übrigen Autoren aus verschiedenen Quellen gesammelt und getreu übersetzt und möglichst für das kindliche Verständnis eingerichtet. Er hoffe, diese Arbeit werde den jugendlichen Geistern nützen. Sie lege lauterste Sittenlehren vor und ausserdem trage die Vergleichsmöglichkeit der griechischen (bei diesen Autoren besonders fein) mit der lateinischen Sprache nicht wenig zur Bereicherung des Bildungsschatzes bei, vor allem bei denen, die, mangels einer lebendigen Stimme eines Lehrers, gezwungen seien, sich selber im Griechischen zu unterrichten. Den Nutzen für Erwachsene wolle er nicht auch noch weiter behandeln. Nicht wenig habe ihm die kenntnisreiche Übersetzung des Stobaeus geholfen. Die Übersetzungen in lateinischen Versen habe er beigegeben (S. 266-358), damit die griechische Feinheit durch die Stilnähe des Lateins für diejenigen leichter erkennbar werde, die im Griechischunterricht noch nicht ohne Kork schwimmen könnten, und jeweils den Namen des Übersetzers beigefügt, um sich nicht mit fremden Federn zu schmücken. Die bisher noch nicht metrisch übersetzten Gedichte habe er, so gut er gekonnt habe, in Versfüsse gezwungen, möglichst nahe dem Sinn des Griechischen. Von einander abweichende Lesarten habe er am Rand angegeben. Weiter sei, wenn auch nicht in gleicher Gedichtform, so doch gleichen Inhalts, der liber Senariorum beigefügt, damit der Band die Lehren über die Lebensführung den Knaben möglichst vollständig darbiete (der Senariorum Moralium Liber ex optimis vetustissimisque Graecorum autoribus... conscriptus, der das Datum vom Juni 1561 im Impressum hat, und der auch in den zahlreichen Nachdrucken dieser Theognis-Sammelausgabe bei Oporin und Nachfolger von 1569 und 1572, in Basel/Frankfurt bei Ludwig Lucius schon von 1563, in Leipzig von 1576, 1587, 1596 und 1600 enthalten ist, fehlt im hier vorliegenden Exemplar von 1561; auf seinem Schlussblatt findet sich eine Notiz wohl schon von etwa 1600: Senariorum Libellus Hertelij est alibi ligatus: dieses Bändchen ist zumindest heute nicht in der Basler Bibliothek vorhanden). Den Behörden Saalfelds widme er den Band, damit er unter ihrem Schutz gegen Böswillige stehe, vor allem aber als Dank für ihre Wohltaten dafür, dass er nicht den geringsten Teil seiner Schulzeit unter den hervorragenden Lehrern Christoph Hoffmann und Johann Tumler in ihrer berühmten Schule verbracht habe, und für weitere Verdienste von Mitbürgern um ihn. Er hoffe, dass ihnen das von Herzen kommende kleine papierene Geschenk nicht weniger willkommen sei als wenn er ihnen kolophonisches Gold dargebracht hätte.
Aus Besitz Socini, dann Remigius Faeschs: B c V 229 Nr. 1 (fehlen Senarii und S. 129-144; auch im Basler Exemplar der Ausgabe von 1572, aus Besitz eines Johannes Calvinus Veteranus, fehlt der Senariorum libellus: B c VI 231 Nr. 2).
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc V 229:1 | Bc VI 231:2