GG 225
Dēmosthenous Logoi dyo kai hexēkonta.
Habes Lector Demosthenis Graecorum oratorum omnium facile principis orationes duas & sexaginta, & in easdem Ulpiani commentarios, quantum extat; Libanii Argumenta: Tum collectas a studioso quodam ex Des. Erasmi Rot. Guilhelmi Budaei atque aliorum lucubrationibus Annotationes. Ad haec ipsius, Plutarcho Libanioque authoribus, vitam. Et lectionem denique variam adiectam. Basel: Johannes Herwagen September 1532. Fol.
1504 sind die Reden des Demosthenes (384-322), des berühmtesten der griechischen Redner, zum ersten Mal, griechisch, im Druck erschienen, bei Aldus Manutius in Venedig, in zwei Foliobänden; die erste lateinische Gesamtausgabe erschien erst 1572, in Basel (GG 230). Hier liegt erst der zweite Druck überhaupt der 62 Reden vor, von denen allerdings, wie man heute weiss, nur etwa die Hälfte von Demosthenes selber stammt. Im Anhang zum Text folgen eine Zusammenstellung abweichender Lesarten und ein aus Annotationes aus Schriften des Erasmus und Guillaume Budé zusammengestellter Kommentar. Wie auch in anderen Fällen ist die - spätere - Basler Ausgabe um einiges praktischer gestaltet als ihre Vorgängerin: der Kommentar des Ulpian - ob von dem um 300 n. Chr. in Emesa und Antiochia als Lehrer u.a. des Libanius wirkenden Sophisten und Verfasser verlorener rhetorischer Schriften dieses Namens aus Askalon, ist umstritten - ist nicht, wie in der Aldina, für sich, sondern in Kommentarsatz um den Demosthenestext herum gedruckt. Zudem sind zahlreiche Druckfehler der Aldina korrigiert. Nach Reiske (bei Hoffmann) könnten diese Korrekturen von Simon Grynaeus stammen, während die Annotationes nach ihm ein Jacob Ruber zusammengestellt haben soll. Die Widmung des Druckes stammt von Erasmus. Herwagen hatte sie, wie wir aus einem Brief des Erasmus an Bonifacius Amerbach vom 8. Juli 1532 wissen, anlässlich eines Besuches zusammen mit Episcopius bei Erasmus in Freiburg, den sie im Auftrag Amerbachs unternommen hatten, diesem gegen seinen Willen, keine weiteren Vorreden mehr für fremde Werke zu verfassen, abzuringen versucht. Nach dem Streit hat Erasmus sie dann doch noch am 2. August 1532 verfasst und damit den Druck dem ca. 1515 geborenen zweiten Sohn des Nürnberger Kaufherren Johannes Paumgartner des Jüngeren und der Regina Fugger (81512), Johann Georg Paumgartner, gewidmet, der auf dem Weg nach Padua in Begleitung des seit 1528 mit Erasmus befreundeten niederländischen Humanisten und Juristen Viglius Zvichem (von Aytta, 1507-1577) 1531 Erasmus in Freiburg und Amerbach in Basel besucht und dann unter Aufsicht Zvichems in Padua studiert hatte.
In dieser Widmung empfiehlt Erasmus, wohl auf den Wunsch Herwagens zu besserem Verkauf des Druckes, den offenbar bis dahin mehr berühmten als gelesenen Redner, der bis dahin offenbar durch die Schwierigkeit seines Stils viele von seiner Lektüre abgehalten hatte. Nicht diejenigen, die mit frechen Pamphleten die Welt erfüllt hätten - empfiehlt er auch den Drucker - sondern diejenigen, die mit ihrem Fleiss alte und durch die Jahrhunderte bewährte Autoren zu neuem Leben erweckten, machten sich um die Studien verdient. Demosthenes gelte allgemein als der erste griechische Redner und jener Lehrsatz stimme, dass man mit den Besten beginnen müsse. Darum hätten einst bei den Römern die Knaben mit den besten Dichtern die Anfangsgründe der Sprache gelernt. Denn Glanz und Süsse, die bei diesen zur rhetorischen Kunst hinzukämen, zögen Jugendliche eher an als jene allein. So werde jeder, der die lateinischen Dichter verstehe, die Redner richtiger verstehen. Bei den Griechen sei das anders, der Unterschied zwischen Dichtung und Rhetorik so gross, dass man zwei Sprachen vor sich zu haben wähne. So würden die, die mit den Dichtern zu lernen begonnen hätten, wenn sie sich der Lektüre der Redner zuwendeten, wie vor einer fremden Sprache stehen, zwar die einzelnen Wörter verstehen, aber nicht den Sinn begreifen. Ursache sei die Eigentümlichkeit der sprachlichen Figuren (schemata), des bildlichen Ausdrucks (tropi) und der persönlichen Ausdrucksweisen (idiomata), in denen die Lexika kaum Hilfe böten. Hierzu habe Guillaume Budé für die Sprachliebhaber (tois philoglōttois) Grosses geleistet (seine sprachlich-enzylklopädischen Commentarii waren 1529 in Paris und ein halbes Jahr später auch schon, in praktischerem Druck, in Basel [GG 41] erschienen). Wie für kindliche Geister im Latein nicht sofort Cicero geeignet sei, der erst Fortgeschrittenen gefalle, so eigne sich wohl auch Demosthenes nicht für Griechischschüler, da er seine Kunst nicht auf den ersten Blick offenbare. So stimme das Wort Quintilians auch für Demosthenes: Gefallen an Demosthenes sei ein Beleg für fortgeschrittene Kenntnisse in der Redekunst. Wie ein kunstvolles Bild nur verstehe, wer sich in der Kunst auskenne, so spüre das Göttliche in Demosthenes, das deinon, das die Redekundigsten in ihm immer bewundert hätten, nur wer die rhetorischen Lehren und die Geschichte kenne. So möchten Knaben an Demosthenes kosten, doch zu ihm später zurückkehren, wenn sie seine attische Lieblichkeit erkennten, seine Urteilskraft, seine Beweisführungen (enthymemata), seine unnachahmliche Kraft. Wie im Altertum zu Homer und Vergil könne man Vergleiche anstellen zwischen Demosthenes und Cicero, welcher wo dem andern überlegen sei. Solches bilde das Urteilsvermögen. Demosthenes gebührend zu preisen vermöge er nicht, es sei aber auch überflüssig. Und auch ihn, den jungen Georg, brauche er nicht erst anzustacheln. Er kenne ihn aus den Schilderungen des täglichen Umgangs von Viglius Zvichem und aus seinen eigenen Briefen, die, obwohl er erst sechzehnjährig sei, gut lateinisch, scharfsinnig und gut aufgesetzt seien. Ein echter Sohn seines älteren Freundes Johann Paumgartner (es sind, ausser diesem Widmungsbrief, nur noch zwei Briefe von Erasmus an Johann Georg Paumgartner von 1532 und 1533 aus Drucken bekannt, keiner von ihm an Erasmus). Er möge den Demosthenes entgegennehmen, der wie frisch gehäutet und jugendlich strahlend erscheine, zugleich als Zeichen seiner Verehrung und als Stachel für seine Studien. Viel verdanke er Aldus, der den Fürsten unter den Rednern zuerst gedruckt habe, mehr noch Herwagen, der nicht wenig hinzugefügt habe, an Würde, an Praktischem, mit grossem Aufwand und Aufmerksamkeit. Von nun an erwarte er von ihm halbtullianische und halbdemosthenische Briefe.
Das Basler Exemplar B c II 45 zeigt zwar keinen Besitzereintrag, dürfte aber aus dem Besitz Johannes Herwagens und dann seiner Nachfolger, d.h. seines gleichnamigen Sohnes, Johannes Oporins und, seit 1568, des Druckers unseres Bändchens (GG 229), Eusebius Episcopius, stammen, denn die Olynthischen Reden hierin und die Viten zu Beginn haben, mit dem Kommentar, die Druckvorlage für das bei Episcopius 1569 erschienene "specimen" dieser Reden zu einer Gesamtausgabe gebildet, wie Ergänzungen und Anweisungen von Wolf und solche aus der Setzerei zeigen.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc II 45