GG 241
Procopii Caesariensis De rebus Gothorum, Persarum ac Vandalorum libri VII, una cum alijs mediorum temporum historicis, quorum catalogum sequens indicabit pagina. Basel: Johannes Herwagen September 1531. Fol.
Erst 1661-63 ist in Paris die erste griechische Gesamtausgabe der Werke des hohen Vertrauten des Feldherrn Kaiser Justinians I. Belisar, des Historikers seiner Zeit Prokop aus Caesarea in Palästina (um 500 - um 560), erschienen, ausser dem unsern die ersten griechischen Drucke von Werken oder Werkgruppen in Augsburg 1607 und Lyon 1623 (Geheimgeschichte). Vor unserm Sammeldruck der drei zeitgeschichtlichen Schriften in lateinischen Übersetzungen des Priors von Santa Balbina, Philologen und Historikers, 1584-1586 Vorstehers der Bibliotheca Vaticana Christoforo Persona (1416-86: Gotenkrieg, d.h. Untergang der Ostgoten) und des Raphael Volaterranus (Raffaele Maffei, 1455-1522: (Perser- und Vandalenkrieg) sowie des griechischen Erstdrucks der Schrift über die Bauten unter Kaiser Justinian waren von Prokop einzig die Übersetzungen des Gotenkriegs und des Perserkriegs (Rom 1506 bzw. 1509) erschienen. Anderseits folgten unserm Erstdruck der Schrift über die Bauten bald zwei lateinische Übersetzungen 1537 in Paris und 1538 in Mainz; italienische Übersetzungen der drei Kriegsgeschichten erschienen 1544 und 1547 in Venedig. Sinnvoll ist unserm Prokop-Druck der Gotenkrieg des Agathias Scholasticus (um 530-579/82) in der Übersetzung ebenfalls des Persona beigegeben, der 1516 ebenfalls in Rom (Nachdruck 1518 in Augsburg) erschienen war (griechischer Erstdruck erst Leiden 1594), sowie der Gotenkrieg des Leonardus Aretinus (Lionardo Bruni, Foligno 1470) und die Gotengeschichte "des Jornandes, den manche Jordanus nennen" (des Goten oder Alanen Jordanes, Kroton, dann Konstantinopel; Erstdruck Augsburg 1515), der noch dessen Römische Geschichte als Erstdruck angefügt ist sowie die Epitome des Herausgebers von 1515, Conrad Peutingers, über die germanische Völkerwanderung und ein Brief des Sidonius Apollinaris (5. Jh.) über die Goten. Noch bedeutsamer in unserem Druck als die erstmalige Vereinigung der drei Kriegsgeschichten Prokops - wertvoller zeitgenössischer Quellen für die Zeit Justinians I. und der Ostgoten - ist wohl noch die Anfügung an all die historischen Werke der "bis dahin noch nie gedruckten Schrift, auf Blatt 1 hinter den lateinischen Geschichtswerken" (wie das Inhaltsverzeichnis sagt) von Prokop über die Bauten Kaiser Justinians auf griechisch. Die Werke zusammengestellt hat Herwagen selber, der, wie im folgenden Jahr den Erasmus für seine Demosthenesausgabe (GG 225), Beatus Rhenanus als anerkannten Historiker zu einer Vorrede gedrängt hat, nachdem im Frühling des selben Jahres, noch in der gemeinsamen Offizin Hieronymus Frobens, Johannes Herwagens und des Nicolaus Episcopius, dessen Rerum Germanicarum libri tres - eine germanisch-deutsche Geschichte - erschienen waren. Das Gotenwerk hat er am 17. August 1531 von Schlettstadt aus seinem Freund Bonifacius Amerbach, dem damals 36jährigen Basler Professor für Römisches Recht und Stadtsyndikus, dem mit Rhenanus zusammen wohl engsten Basler Freund des Erasmus von Rotterdam, gewidmet. Neben dem gemeinsamen Index zu den historischen Werken hat Herwagen dem Band noch die kurzen Biographien Prokops und des Agathias aus "Suidas" (in lateinischer Übersetzung aus einer der beiden griechischen Aldinen von 1499 und 1514) und die Vita des "Iornandes oder Iordanus" von Trithemius beigegeben.
Die Widmung offenbart die historischen Forschungen und Interessen des Rhenanus, die wohl auch, nach dem Erscheinen seiner Res Germanicae, Herwagen bewogen haben dürften, ihn zu einer Vorrede zu drängen. Philologisches konnte er zur Ausgabe ohnehin nicht äussern, da er sie erst mehr oder weniger fertig vorgelegt erhalten hat. Aus keinem andern Grund seien die Geschichten Prokops von den Deutschen bis dahin wohl weniger gelesen worden, beginnt er seine Widmung (sie waren bis dahin einzig in Rom, über zwanzig Jahre zuvor, erschienen), die von den Kriegen der Goten und Vandalen in Italien und anderswo handelten, obwohl sie schon lange übersetzt seien (1506 bzw. 1509), als dem, dass alle gewiss gewesen seien, dass es, vor allem, Goten, dass es Skythen gegeben habe. Das bewirke, dass man sich mit den Geschichten fremder Völker befasse, obwohl man (auch) zu Hause Bewunderns-, Nachahmenswertes habe. Den Deutschen zum Ruhm gereichten die germanischen Reiche in den berühmtesten römischen Provinzen und sogar in Italien und der Königin aller Städte Rom, wovon nichts als Frankreich geblieben sei, wie die alten Franken immer die glückhaftesten gewesen seien. Nicht dass er die Verwüstungen und Plünderungen billige, ohne die keine solchen Siege zustande kämen; doch weil allgemein das gepriesen werde, woraus man Adel erlange. Den Ursprung der Völker erzähle der Autor als Grieche nicht so genau wie die Kriege unter Kaiser Justinian, zufrieden mit dem zeitgenössischen Geschehen. Prokop sei hier das passiert, was allen passiere, die von alten Völkern berichteten, dass man sich auf Vermutungen stütze, weil man meist ohne Augenschein Gehörtes oder Gelesenes berichte. Was Marcellinus (Ammianus Marcellinus (2. Hälfte 4. Jh., Rhenanus natürlich von der Arbeit an den Res Germanicae bestens bekannt) von den Thrakern gesagt habe, könne man von allen alten Völkern sagen, dass die Beschreibung leicht fiele, wenn die alten Darstellungen übereinstimmten, deren Unterschiedlichkeit einem Werk, das sich zur Wahrheit bekenne, nicht dienlich sei. Im übrigen scheine ihm der Alane Jornandes die Goten zu Recht aus Skandien oder Skandinavien, einer Insel im Deutschen Meer, die er selber Skanzia nenne, die heute vielleicht Nordseeland oder Suetia heisse, hergeführt zu haben; wenn er sie hingegen mit den Geten gleichsetze, irre er völlig. Der Name Geten sei von Gelehrten den Goten gegeben worden wie unlängst Altertumsforscher Kaiser Maximilian Maximian, andere Maximus Aemilianus (so Glarean in seinem Panegyricon von 1514) genannt hätten, wohl aus spielerischer Angleichung des Namens. Worauf Rhenanus solche Gleichsetzungen der Goten bei Spartianus (Aelius Spartianus, Historiker, 4. Jh.), bei Hieronymus und im 1. Buch der Gotenkriege und zu Beginn des Vandalenkriegs Prokops anführt und historisch widerlegt und schliesslich auf die Namengebung der Ostrogotthen (Rhenanus schreibt immer Gotthi) und Westgotthen, in Widerspruch zu Paulus Diaconus (8. Jh.), zu sprechen kommt. So seien die Goten auch nicht als Skythen zu bezeichnen, nur weil sie im Land der Geten gewohnt hätten, ebensowenig wie als Gallier oder Spanier, wo die Westgoten später gewohnt hätten, oder die Franken als Gallier. Worauf Rhenanus auf die Äusserungen des Tacitus und Ptolemaeus sowie der Theodosianischen Weltbeschreibungen über die Goten zu sprechen kommt, zuletzt Jornandes, Prokop und Plinius und seine eigene Theorie ihrer Wanderungen aus der Maeotis nach Spanien bzw. Nordafrika und hierfür auf seine ausführlichere Abhandlung in seinen kürzlich erschienenen Res Germanicae, denn Jornandes und Paulus Diaconus habe er sorgfältigst durchgearbeitet. Als ihn nun Johannes Herwagen gegen seinen Willen gedrängt habe, zu diesem Band gotischer Geschichte eine Vorrede zu schreiben, den er nicht durchgesehen, nicht einmal vorher gelesen habe, ausser dass jener ihm jeweils die gedruckten Ternionen (Lagen von 3 gefalteten Blättern) aus der Offizin gesandt habe (es wurde lagenweise gesetzt und sofort gedruckt), habe er ihn unter seinen Freunden erwählt, da er ein gesundes wissenschaftliches Urteil habe und geschichtskundig sei. Er wundere sich vielleicht, woher Herwagen die so lange überall gesuchte Prokopvorlage erhalten habe: sein Conrad Peutinger, die unsterbliche Zierde Augsburgs, ja ganz Schwabens, habe sie aus seiner reichen Bibliothek geschickt, der Mann, den auch er wegen seiner aussergewöhnlichen Gastfreundschaft im Vorjahr während des pangermanischen Konzils (Reichstag zu Augsburg) preisen müsse. Der selbe habe auch die bisher noch ungedruckte Epitome des Jornandes der Offizin Herwagens mitgeteilt. Er, Rhenanus, habe gewünscht, Ablabius und die Bücher der Variae Cassiodors sowie die Gesetze der Goten beizufügen, damit so die ganze gotische Geschichte in einem Band vereinigt wäre, doch hätten die Vorlagen gefehlt (die Variae Cassiodors, seine Regierungserlasse, sind dann 1533 in Augsburg erschienen). Denn Aretinus berichte nur aus Prokop, den er paraphrasiere (Lionardo Bruni, De bello italico adversus Gothos, Foligno 1470). Ausserdem befürchte er, dass der Übersetzer des Gotenkrieges an eine verstümmelte Handschrift geraten sei, da Alarich überhaupt nicht erwähnt werde (meint Rhenanus den Vandalenkrieg? dort fehlt allerdings in unserer Übersetzung der gesamte Text über die Einnahme Roms durch Alarich, in heutigen Ausgaben Kriege 3 = Vandalenkrieg 1, 2, 8-27; im Gotenkrieg tritt auch heute nur Alarich d. J. auf). Doch man müsse damit vorlieb nehmen, es habe nicht verbessert werden können. Schliesslich weist der Historiker Rhenanus auf die weiteren in dem Werk behandelten Völker hin und darauf, dass Prokop mit "Germanen" jeweils allein deren zu seiner Zeit bekanntestes Volk, die Franken, bezeichnet habe, dass die Geschichte des Agathias nicht ohne Grund beigegeben sei, da sie die Geschehnisse nach dem Tod Prokops behandle, dass Perser- und Vandalenkrieg vorausgehen müssten, da sie zuerst geschrieben seien und frühere Ereignisse behandelten (Herwagen hingegen hat den Gotenkrieg an erste Stelle gestellt), dass die beiden Bücher des Jornandes mit dem Brief des Sidonius, in dem er den Westgotenkönig Theoderich beschreibe, zu Recht beigegeben seien, und dass den Band die Beschreibung der Bauten Justinians beschliesse, ein kleines griechisches Werk Prokops (wohl dann ebenfalls nach einer Handschrift Peutingers). Dass doch seine Anekdota erhalten wären, die Suidas erwähne. Aber er vermute (wohl ebenfalls nach den Äusserungen in der Suda), dass das Werk schon längst nicht ohne Grund unterdrückt worden sei (die Arcana historia ist doch erhalten geblieben: 1623 in Lyon nach einer Handschrift der Bibliotheca Vaticana erschienen). Nun, so hoffe er, werde Herwagen Zeit haben für den Druck der Langobardengeschichte (das Werk des Paulus Diaconus, das Rhenanus ja schon für seine Res Germanicae zentral benutzt hatte und auch in dieser Widmung erwähnt hat, ist dann zwar auch bald in Basel erschienen, doch nicht bei Herwagen, sondern im Anhang an die Historia Romana des Eutropius im August 1532 bei Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius, herausgegeben von Sigismund Gelenius).
Das Basler Exemplar B c I 96 hat Johannes Herwagen Bonifacius Amerbach geschenkt, das Exemplar B c I 96a stammt aus dem Besitz Aegidius Tschudis, mit zahlreichen Randnotizen (aber ohne Besitzereintrag) des berühmten Glarner Staatsmanns, Historikers und Geographen (1505-1572).