GG 286

Die Sechs Erste Bücher Euclidis, Vom anfang oder grund der Geometrj. In welchen der rechte grund, nitt allain der Geometrj (versteh alles kunstlichen, gwisen, und vortailigen gebrauchs des Zirckels, Linials oder Richtscheittes und andrer werckzeüge, so zuo allerlaj abmessen dienstlich) sonder auch der fürnemsten stuck und vortail der Rechenkhunst, furgeschriben und dargethon ist. Ausz Griechischer sprach in die Teütsch gebracht, aigentlich erklärt, Auch mit verstentlichen Exempeln, gründlichen Figurn, und... Anhängen geziert, Dermassen vormals in Teütscher sprach nie gesehen worden. Alles zuo lieb und gebrauch den Kunstliebenden Teütschen, so sych der Geometrj und Rechenkunst anmassen, mit vilfältiger mühe und arbait zum trewlichsten erarnet, und in Truckh gegeben, Durch Wilhelm Holtzman, genant Xylander, von Augspurg. Basel: Jacob Kündig auf Kosten Johannes Oporins 30. Oktober 1562. Fol.

1533 war bei Johannes Herwagen der griechische Erstdruck der Grundlagen der Geometrie von Euklid erschienen (GG 283), 1537 ein neuer Druck der lateinischen Übersetzung seiner Werke von 1505 (GG 284). Nun erscheint hier, nachdem spanische und italienische Übersetzungen und 1555 in Augsburg eine deutsche Übersetzung der Bücher 7-9 durch den Tübinger Ordinarius für Mathematik Johann Scheybel vorangegangen waren, die erste deutsche Übersetzung der Bücher 1-6. Übersetzer ist der Augsburger Wilhelm Xylander (Holzmann), seit 1558 Professor für Griechisch an der Universität Heidelberg. Wir haben, wie auch in seiner Polybius-Übersetzung von 1574 (GG 259), eine der ganz wenigen deutschen Übersetzungen direkt aus dem Griechischen vor uns. Gewidmet hat sie Xylander mit feierlicher Subskription als "E. E. H. und W. undertheniger dienstwilliger mittburger M. Wilhelm Holtzman, genant Xylander, Griechischer Professor des Churfürstlichen Studiums inn Heydelberg" von Heidelberg aus am 1. Oktober 1562 den Stadtpflegern, Bürgermeistern und Räten der Stadt Augsburg (die keine Universität besitzt):

Er habe vor sieben Jahren (d.h. im Jahre des Erscheinens der Übersetzung Scheybels der Bücher 7-9 in Augsburg) die ersten vier Bücher der Elemente der Geometrie Euklids aus dem Griechischen ins Deutsche übersetzt und kommentiert und zu Ehren seiner geliebten Vaterstadt Augsburg wollen drucken lassen. Die Edition habe sich verzögert. Allerlei habe ihn in der Zwischenzeit an der Arbeit daran gehindert, anderseits hätten ihn Freunde, die das Werk gekannt hätten, getrieben, es der Öffentlichkeit zugänglich zu machen. Er habe, vor allem wegen der Ziffern und Zahlen, die Fehlerquellen für den Drucker seien, beim Druck zugegen sein wollen, doch da dies sich nicht gegeben habe, habe er alles getan, dass das Werk doch so gut wie möglich in Druck gehe, dazu alle Figuren, an welchen viel gelegen sei, nochmals neu mit Zirkel, Richtscheit (Lineal), Feder usw. auf Pergament gezeichnet, damit sie der Formschneider (der sie ja zuerst noch auf die Holzstöcke seitenverkehrt abzupausen hatte) auch ohne seine Anwesenheit korrekt schneiden könne. Zudem habe er nicht nur jene vier Bücher nochmals durchgesehen, sondern auch die beiden wichtigsten Bücher 5 und 6 ins Deutsche übersetzt und für den deutschen Leser mit Beispielen, Figuren und Erläuterungen ausgestattet (Xylander hat auch zwölf Jahre später für seine Polybiusübersetzung eine neue Griechenlandkarte entworfen, die aber nicht geschnitten und gedruckt worden zu sein scheint). Seinem Vaterland danke er hiermit - statt mit Taten - für Erziehung, Schulung und Studium, die es ihm, der aus armen Verhältnissen stamme, geboten und auswärts ermöglicht habe.

In der folgenden Vorrede an den kunstliebenden Leser (Kunst = ars, was auch die Geometrie ist) zeigt Xylander zunächst die Bedeutung der Geometrie für die verschiedensten Berufe und Künste auf, wie man mit ihrer Hilfe es sich ersparen könne, "gantze Eselheütten voll ziffern" zu rechnen. Die griechischen und lateinischen Künste seien auch dem deutschen Leser, der in Sprachen unerfahren sei, nahezubringen. Manche würden allerdings die deutsche Sprache für barbarisch und für eine solche Übersetzung ungeeignet halten, sein Vorhaben für vermessen. Wenn die Deutschen wie andere Völker sich bemühten, ihre Sprache zu gebrauchen - d.h. schriftlich in den Wissenschaften und Künsten zu gebrauchen, werde man auch ihre Reichtümer entdecken. Und da es vielen Deutschen mangels Kenntnis fremder Sprachen an Kenntnissen in Geometrie und Arithmetik mangle, lege er diese Bücher nun deutsch vor. Falls Gelehrte das Buch zur Hand nehmen sollten, sollten sie daran denken, dass er für Laien übersetzt und erläutert habe, somit auf andere Art als Theo, Campanus, Hypsicles, die dies für Gelehrte getan hätten. Einige fremde Wörter habe er beibehalten müssen, die aber in der deutschen Sprache schon bekannt seien und gleichsam in ihr Bürgerrecht hätten, wie Cicero auch griechische Begriffe verwendet habe. Worauf er eine Anzahl solcher deutscher Fremdwörter aus dem Griechischen und Lateinischen anführt. W 131.

Aus Besitz Remigius Faeschs (frühere Einträge geschwärzt): N d II 10

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Nd II 10:2

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2ar: Vorrede des Herausgebers Wilhelm Xylander an die Stadtpfleger, Bürgermeister und Räte der Stadt Augsburg, datiert von Heidelberg, den 1. Oktober 1562, 1. Seite (von 6).

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1br: Vorrede des Herausgebers Wilhelm Xylander an den Leser, 1. Seite (von 6).

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1Ar: Anfang des 1. Buches.

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3Av: Textseite aus dem 1. Buch.

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4Ar: Textseite aus dem 1. Buch.

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6Ev: Anfang des 3. Buches.

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5Qr: Letzte Textseite mit Kolophon.