GG 285

Euclidis Megarensis, Philosophi & Mathematici excellentissimi, sex libri priores, de Geometricis principijs, Graeci & Latini, una cum demonstrationibus propositionum, absque literarum notis, veris ac proprijs, & alijs quibusdam, usum earum concernentibus, non citra maximum huius artis studiosorum emolumentum adiectis. Algebrae porro Regulae, propter numerorum exempla, passim propositionibus adiecta, his libris praemissae sunt, eaedemque demonstratae. Autore Ioanne Scheubelio, in inclyta Academia Tubingensi Euclidis professore ordinario. Basel: Johannes Herwagen September 1550. Fol.

Siebzehn Jahre nach der griechischen Erstausgabe durch Simon Grynaeus nach einer heute in der Marciana in Venedig liegenden und einer jetzt in Paris aufbewahrten Handschrift im Jahre 1533 (GG 283) beim Drucker der hier vorliegenden ersten zweisprachigen, dazu reich neu kommentierten Ausgabe und wiederum zwölf Jahre vor der ersten deutschen Übersetzung - aus dem Griechischen - durch Wilhelm Xylander, dann 1562 bei Oporin (GG 286), erscheint hier, vom bedeutenden Tübinger Mathematiker Johann Scheubel, auch die erste neuzeitliche Übersetzung überhaupt der ersten sechs Bücher des Hauptwerks Euklids, das das ganze Mittelalter hindurch wie in der frühen Neuzeit als das Lehrbuch in der Schule benutzt wurde. Scheubel (Scheybl, 1494-1570) lebte, nach Studien in Wien und Leipzig, von 1535 bis zu seinem Tod in Tübingen, wo er seit 1544 regelmässig Vorlesungen über Euklid hielt und aus seiner Lehrtätigkeit heraus - woraus auch das vorliegende Werk entstanden ist, wie seine Widmung an die Brüder Anton, Johann Jacob, Georg, Christoph, Ulrich und Reimund Fugger, Söhne Raimund Fuggers des Älteren vom 1. April 1550 zeigt - publizierte. Der griechische Text unseres Drucks ist in einer Handschrift Scheubels in Tübingen erhalten, wohl nicht die Druckvorlage, die wie fast ausnahmslos, nach dem Druck weggeworfen worden sein dürfte, sondern eine Vorarbeit dazu oder die Vorlage für die Erstellung einer Reinschrift für den Drucker durch einen Famulus.

Da die Geometrie zu den Freien Künsten gehöre, beginnt Scheubel seine Widmung an seine verehrten Mäzene, und es an fast allen öffentlichen Schulen üblich geworden sei, die des Euklid zu behandeln, wolle er hierzu etwas beibringen, des Zeitaufwands wegen allerdings nur die ersten sechs Bücher erklären und kommentieren (wie auch Xylander dann nicht alle 13 echten Bücher, sondern ebenfalls nur 1-6 übersetzt hat). Da seine Art hierin von denen der andern abweiche, wolle er dessen Grund hier darlegen. Wie die Phönizier für ihren Handel die Zahlen, so hätten die Ägypter für eine gerechte Verteilung des Nilwassers die Geometrie erfunden. Von ihnen hätten sie die Griechen übernommen, doch nicht zur praktischen technischen Anwendung, sondern zur Vorbereitung auf die Philosophie in der Schule. Galen habe Geometriekenntnisse für die Wundenbehandlung und -heilung verlangt, Hippokrates sie seinem Sohn Thessalos vorgeschrieben, Quintilian sie für den angehenden Staatsmann für nötig erachtet und vor allem Plato habe sie als Grundlage verlangt. Viele hätten schon die Geometrie Euklids erklärt, die alexandrinischen Philosophen Theon und Hypsikles (neuplatonischer Mathematiker des 4. Jahrhunderts nach Christus, Vater der Hypatia, Herausgeber der Schriften Euklids und Kommentator des Ptolemaeus; Mathematiker und Astronom des 2. Jahrhunderts vor Christus aus Alexandria), unter den Lateinern der Franzose Campanus (erschienen Paris 1516) und der Veneter Zambertus (Venedig 1510). Für die Erklärung sei hier alles vollkommen geleistet. Doch mit den Abbildungen mit Hilfe von Buchstaben schienen sie ihm am Sinn Euklids vorbeizugehen, der seine Lehren ohne Abbildungen hinterlassen habe. Und das erschwere nicht nur die Arbeit der Lehrer, sondern es behindere auch das Verständnis der Schüler. Er erfahre das selber täglich beim Unterricht und bekomme es von seinen Schülern zu hören. Er habe deshalb nicht die von den andern gepflegte Erklärung durch Buchstaben gewählt, sondern eine, die zur Behandlung Euklids passe und auch für Anfänger verständlich sei. So habe er die Abbildungen mit ihren Bezeichnungen benannt, etwa als einen "rechten Winkel" statt einen "Winkel abc" oder "Winkel gde". Das spare dem Leser umständliches Vergleichen und Nachschlagen. Dies alles habe er nicht nur aus seiner Entscheidung heraus, sondern auch auf Aufforderung derer getan, deren Unterricht er im Auftrag des hohen Tübinger Schulrats auf sich genommen habe (Scheubel war Professor matheseos an der Tübinger Universität). Sie hätten beteuert, dass diese Unterrichtsmethode ihnen willkommen und weniger mühsam sei. Ihnen sei dafür zu danken. Er habe den Vorteil im Unterricht gemerkt. W 130.

Exemplar vom Basler Mathematiker Daniel Huber 1810 aus der Bibliotheca Heideggeriana Zürich erworben: K e I 9 Nr. 2.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Ke I 9:2

Illustrationen

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Titelseite

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2ar: Vorrede des Herausgebers Johann Scheubel an die Brüder Anton, Johann, Jacob, Georg, Christoph, Ulrich und Reimund Fugger vom 1. April 1550, 1. Seite.

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2av: Vorrede, 2. Seite.

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3ar: Vorrede, 3. Seite.

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3av: Vorrede, 4. Seite.

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4ar: Vorrede, 5. Seite.

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1Ar: Anfang der 'Brevis regularum Algebrae descriptio' von Johann Scheubel.

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3Kr: Anfang der 'Elementa' von Euklid.

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2Lr: Textseite mit Illustrationen aus dem 1. Buch.

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2Lv: Textseite mit Illustrationen aus dem 1. Buch.

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6Qqr: Letzte Textseite mit kurzem Nachwort des Herausgebers an den Leser und Kolophon.

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Druckermarke von Johannes Herwagen.