GG 288

Strabonis Geographicorum Lib. XVII. Olim, ut putatur, a Guarino Veronensi ac Gregorio Trifernate Latinitate donati, iam denuo a Conrado Heresbachio LL.Doctore, Principisque Iuliacensis Consiliario ad fidem Graeci exemplaris, authorumque, qui huc facere videbantur, recogniti, ac plerisque locis deintegro versi. Item Epitome eorundem decem & septem de Geographia librorum, nunc primum de Graeco sermone in Latinum conversae, Hieronymo Gemusaeo, D. Medico & Philosopho interprete. Basel: Johannes Walder [September] 1539. Fol.

Sechzehn Jahre nach dem ersten Basler Druck einer lateinischen Übersetzung Strabos - der alten Übersetzung des 15. Jahrhunderts, doch zum erstenmal in verbesserter Form - bei Valentin Curio (GG 30) erscheint diese Bearbeitung Conrad Heresbachs - in der Zwischenzeit ist weder eine griechische noch eine andere lateinische Ausgabe irgendwo erschienen - nochmals, nun bei dem Nachfolger des 1533 gestorbenen Curio, dem aus Zürich stammenden Johannes Walder, der Curios Witwe Anna geheiratet hat und dessen Druckerei von 1533 bis zu seinem Tode 1541 weitergeführt hat. Neuer Herausgeber ist der Basler Arzt Hieronymus Gemusaeus. Er hat der Übersetzung des Werkes Strabos in der Fassung von 1523 neu eine eigene Übersetzung einer bis dahin ungedruckten alten griechischen Epitome, einer Kurzfassung der 17 Bücher vorangestellt. Gewidmet hat er seine Ausgabe dem Rheinfelder Ritter Jacob Truchsess von Rinfeld am 1. September des Druckjahrs; dieser hatte 1513-1518 in Basel und Dôle studiert. In der Widmung rechtfertigt Gemusaeus, der in diesen Jahren u.a. auch als Hauptherausgeber an der grossen fünfbändigen griechischen Galenausgabe von 1538 (GG 337) mitgewirkt hatte, seine Straboausgabe, Strabo überhaupt und führt sehr konzentriert die Beweggründe auf:

Von den antiken Geographen schienen alle - wie in den andern Fächern der Philosophie - einen als ihren Meister zu betrachten: in der gesamten Naturlehre (physiologia) sei es Aristoteles, in der Mathematik und Vermessung der Erde jener megarische Philosoph (auf Boethius zurückgehende Gleichsetzung des alexandrinischen Mathematikers Eukleides aus dem Übergang vom 4. zum 3. Jahrhundert mit dem Leiter der Philosophenschule von Megara Eukleides zur Zeit Platos, der damals wohl nur aus Diogenes Laertius mässig bekannt war), in der Himmelskunde Ptolemaeus von Alexandria. Die Medizin habe ihren Autor Hippokrates und dessen Erklärer Galen. Deren Autorität habe ein Schüler im betreffenden Fach so zuzustimmen, dass, wo Darlegungen und analytische Beweisführungen von Problemen auf einen Ursprung (per analysin ad aliquam archēn) abgeleitet würden, der beim betreffenden Meister (princeps) bezeugt sei, dass wir diesem zustimmten wie einem Prinzip, das aus sich selber heraus bezeugt sei (tanquam principio ex sese fidem habenti) und keinen Zweifel zulasse. So würden die Fächer nicht in verschiedene und gegensätzliche Lehren gespalten, indem jeder seine eigenen Ursprünge erfände und nach seiner Meinung Wahrheit und Lüge festlegte (Autoritätsakzeptanz oder -gläubigkeit auch in humanistischer Wissenschaft - vor dem Hintergrund der Kirchenkämpfe, in denen eben jeder die Wahrheit und Lüge nach seiner Meinung festlegte...). Und nach diesem Brauch spreche man dann von einem vollendeten Vertreter eines Faches, wenn dieser sich korrekt an die Lehre jenes Meisters (princeps) halte. Wie ein Philosoph, der der Ansicht des Aristoteles und seiner besten Erklärer bei jedem Problem folge. Dies sei also wegen der grösseren Bestimmtheit und Beständigkeit so zu halten. Auch aus einem zweiten Grund sei eine Auswahl der Autoren zu treffen: die Rücksicht auf die grössere Genauigkeit und den grösseren Nutzen. Denn je reichhaltiger in seinem Fach und je geschickter in der Darbietung ein Autor sei, für umso wertvoller habe er zu gelten. Da nun unter den übrigen philosophischen Fächern die Lehre (traditio), die er hier über die Welt vorlege, besonders empfehlenswert sei, wegen der Vorteile für andere Fächer wie für die eigenen Anhänger, sei die Jugend, ja jedes Alter in ihr ganz besonders auszubilden. Als nächstes sei zu überlegen, wie man sich am erfolgreichsten an sie mache, welchen Autor man sich vornehmen solle. Und da scheine Strabo von Amasea auf diesem Gebiet alle andern zu übertreffen. Denn um Ptolemaeus vorzuziehen, wegen gewisser Bestimmungen zu den Illustrationen (hiermit müssen die Karten und die Listen von Ortsbestimmungen gemeint sein), durch die dieser alles vor Augen stelle, so gehe, wenn nicht eine reichere Überlieferung (traditio) und vor allem der Wandel und die Anfolge der Zeiten hinzukomme, ein grosser Teil des Nutzens verloren. Denn die Anschauung einer Örtlichkeit allein bilde die Anschauungskraft, die Geschichte der Örtlichkeiten, kurz und geordnet ihr beigegeben, erweitere die zivilen und militärischen Kenntnisse. Und in dem Masse, wie die Bestimmung von Örtlichkeiten einem seelenlosen Abbild gleich sei, die Entwicklung der Geschichte einer jeden Örtlichkeit aber wie ein Geist oder eine Seele zu sein scheine, so müssten in diesem Fach örtliche Bestimmung und zeitliche Entwicklung vereint sein, wie ein vollständiges Lebewesen aus Seele und Körper bestehe. Und obwohl dies aus bunter Geschichtenlektüre angeeignet werden könne, so biete doch eine Aufzählung (catalogus) der zugehörigen Dinge und Geschehnisse zu jeder Örtlichkeit neben einer gewissen Unterhaltsamkeit des ganzen Fachgebiets eine unglaubliche Erinnerungshilfe (memoriae fidem). Und wie jene Meister eine planmässige Anordnung und die Gesprächsform empfählen, so biete allein diese Art des Berichtens (tradendi ratio) das alles, dass man zur Bestimmung einer jeden Örtlichkeit hinzu ihre Geschichte nicht aus verschiedenen Autoren mit unendlichen Mühen und grossem Aufwand an Zeit sich zusammensuchen müsse, sondern diesem Werk wie einem Katalog und reichhaltigen Index schön ausgewählt und geordnet entnehmen könne. Und das bewerkstellige, als sehr der Mühe wert, wer das Werk dieses Autors, vor allen andern, in hierfür vorbereitete Tabellen einfüge und im selben Arbeitsgang sich in beidem übe. Um diesen Rat zu unterstützen habe er, den Studiosi hoffentlich nutzbringend und willkommen, die vorliegende Epitome ins Lateinische übersetzt. Sie sei von einem offenbar keineswegs gewöhnlichen Mann verfasst, nachdem Griechenland sich mit seinem Unglück und der Änderung der Namen abgefunden habe, wie man einigen Stellen des Werkes entnehmen könne (die älteste und beste Handschrift dieser Epitome oder Chrestomathia stammt aus dem 10. Jahrhundert: Pal. 398). Dass die kurz zusammenfassende Schreibweise alle Fächer gehörig voranbringe, könne man daraus ersehen, dass im Altertum bedeutende Männer sie gewählt hätten: Lucius Florus habe eine Kurzfassung (compendium) der römischen Geschichte geschrieben, Paulus Aegineta die breiten medizinischen Kommentare Galens und des Oribasius in einer Epitome zusammengefasst. Und sogar Galen habe gewissermassen eine Epitome der ganzen Arzneikunst verfasst, die mikrotechnē (nach mittelalterlicher Tradition die schon früh als "Tegni" lateinisch gedruckte kleine technē iatrikē, im Gegensatz zur aus 14 Büchern bestehenden grossen, erst 1514 lateinisch erschienenen Methodus medendi). Nicht zu dem Zweck, dass man die übrigen Kommentare nicht einsehe, sondern dass man mit Hilfe solcher Kompendien besser im Gedächtnis behalte, was man aus breiten Kommentaren gelernt habe (die nächste Stufe der Mnemotechnik wäre die vorzüglich mit Hilfe einer Epitome angefertigte tabellarische Darstellung, wie sie dann durch den Philosophen und Pädagogen Petrus Ramus zwanzig Jahre später in Mode kommen). Im übrigen sei, damit das Buch den Studiosi willkommen sei, ein Zeitgenosse als Empfänger einer Widmung beizufügen gewesen, der sowohl, wie sonst allein üblich, als Patron als auch als Autor auftrete, da dieses Büchlein anonym ans Licht trete, obwohl es einen grossen Namen verdiene. Und da habe er mit seiner umfassenden Bildung (s. oben) sich an erster Stelle angeboten, da die Geographie laut Strabo selber nicht nur zum Studium der Wissenschaften und der Philosophie führe, sondern auch zu allen bürgerlichen und Regierungstätigkeiten. Und die Jugendlichen würden die Geographia umso eifriger studieren, wenn sie sähen, wie er, der sich ihr gewidmet habe, unter dem übrigen hiesigen Adel hervorrage. Dessen seien sich die Fugger bewusst, die ihn ans Steuer ihres Staates berufen hätten. Der Widmung des Gemusaeus vorangestellt sind, in der Reihenfolge der Ausgabe von 1523, das Epigramm des Engentinus, die Widmung Heresbachs, dessen Vita Strabos, das Autorenverzeichnis und die Bemerkung Curios zur Weglassung der alten Widmungen. Die Vita ist gegenüber 1523 durch Gemusaeus um Belege zu Strabo aus inzwischen erschienenen Werken ergänzt worden: durch zwei Stellen aus den Jüdischen Altertümern des Josephos und, im Anschluss auf einen ebenfalls neuen eigenen Hinweis Strabos auf Posidonius, ein griechisches Zitat aus Athenaeus hierzu, nach der Basler Ausgabe von 1535.

Die Einfassung des Titels, schon 1523 als Texteinfassung verwendet, dürfte vom Strassburger Hans Wechtelin stammen. Neueren Datums ist das Druckersignet Walders auf der Titelseite.

Das Exemplar B c I 106 Nr. 1 stammt aus Besitz des Johannes Hospinianus Steinanus von 1545, dann Jacob Hagenbachs: Johannes Wirth (1515-1575) aus Stein am Rhein wurde, nach Studien in Tübingen und Basel hier 1542 Professor für Rhetorik und Griechisch, 1546 für Organon; 1555-75 dann Pfarrer in Oberwil. Jacob Hagenbach (1595-1649) war Arzt und Professor für Ethik in Basel.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc I 106:1

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit Holschnittrahmen vermutlich aus der Werkstatt des Strassburgers Hans Wechtelin.

Buchseite

1br: Vorrede des Hieronymus Gemusaeus mit einer Widmung an Jacob Truchsess von Rheinfelden vom 1. September 1539, 1. Seite.

Buchseite

1bv: Vorrede des Hieronymus Gemusaeus, 2. Seite.

Buchseite

2br: Anfang des 1. Buches der Geographica Strabos.

Buchseite

6Bbv: Druckermarke