GG 301
In Graecorum Epigrammatum libros quatuor Annotationes longe doctissimae, iam primum in lucem editae, Vincentio Obsopoeo autore... Basel: Nicolaus Brylinger September 1540. 8°.
1530 hatte Vincentius Obsopoeus (Heydnecker) in Hagenau zum erstenmal die ersten fünf Bücher des Geschichtswerks des Polybius herausgegeben, 1534 bei Johannes Herwagen in Basel den griechischen Erstdruck der Äthiopischen Geschichten Heliodors (GG 252), 1539 bei Oporin und Winter den der Geschichte des Diodorus Siculus (GG 243). Nun folgt bei Nicolaus Brylinger, zwei Jahre nach einer Auswahl griechischer Epigramme, herausgegeben von Joachim Camerarius, bei Herwagen und Erasmius Froben (GG 300), von ihm ein trotz seiner Einschränkungen umfangreicher Kommentar - der erste überhaupt - von immerhin 570 Seiten zu vier der sieben Bücher griechischer Epigramme. Gewidmet hat er ihn aus Ansbach, wo er seit 1528 als Rektor der neugegründeten Lateinschule wirkt, im April 1539 dem Doktor des Kaiserlichen Rechts und Kanzler der Markgrafen Georg und Albrecht von Brandenburg Sebastian Heller. Zu Beginn seiner Widmung weist Obsopoeus darauf hin, wie der smyrnäische Gelehrte Agathias, der, nach Suidas, zur Zeit Kaiser Justinians gelebt und die Geschichte Prokops für die Zeit Belisars und des Narses ergänzt habe (beide Werke waren 1531 bei Herwagen lateinisch erschienen [GG 241]), alle Städte Griechenlands bereist und den Kranz (kyklos) der neuen Epigramme, einen riesigen Band neuer Epigramme gesammelt habe. Diese habe vor etwa 150 Jahren der byzantinische Mönch Maximus Planudes, um die obszönen und ausschweifenden Epigramme gekürzt, in 7 Büchern zum grossen Nutzen der studiosi herausgegeben (von der heute Anthologia Planudea genannten Sammlung, die 1299 abgeschlossen wurde und um die 2400 Gedichte umfasst, ist in Venedig das Manuskript des Planudes - 1494 im Druck erschienen - erhalten). Sie handelten von Wahrem und Erfundenem, in den unterschiedlichsten Stilen, einzigartig bei Griechen und Römern. Da manches wegen unbekannter Geschichten oder Anspielungen zu dunkel für weniger Geübte sei, habe er sich auf Betreiben des Thomas Venatorius an ihre Kommentierung gemacht, der ihm auch einige Hilfe aus Marcus Musurus geleistet habe, der über diese Epigramme in Padua öffentlich gelesen habe (der spätere Nürnberger Mathematiker, Philologe, Dominikaner und dann protestantische Theologe Thomas Gechauff, um 1488-1551, dürfte somit Musurus mit seinem etwa 25 Jahre älteren Landsmann und Ordensbruder Johannes Cuno und u.a. Francesco d'Asola, einem Schwager Aldo Manuzios, zusammen 1506 in Padua über die von Lascaris herausgegebenen Epigramme lesen gehört haben). Allerdings nützten seine Annotationes nur Leuten, die das Griechische einigermassen beherrschten. Für Anfänger habe er sie nicht verfasst. Die grammatische Behandlung habe er bewusst weggelassen. Es wäre eine Riesenarbeit geworden und hätte den Leser nur gelangweilt und aufgehalten. Um die Erklärung des Sinnes der Worte habe er sich gewissenhaft bemüht. Und obwohl er an manchen Stellen auf Raten und Mutmassungen (coniecturae) angewiesen gewesen sei, habe er sich doch um geeignete Erklärungen bemüht. Zu anspruchsvoll wolle er sein Werk nicht empfehlen, doch nicht verschweigen, dass bis dahin schon viele Gelehrte von diesen Epigrammen ins Lateinische übersetzt hätten, doch nur die am leichtesten verständlichen. Er hoffe, in die schwierigen einiges Licht gebracht zu haben. Und wenn etwas von ihm nicht genau verstanden und erklärt sei oder der Leser nicht überall befriedigt werde, dürfte man ihm dies ob der vielen richtigen Erklärungen verzeihen. Kein Kommentator habe bis jetzt den Leser in allem befriedigt. Wie oft vermisse man bei Vergil die Hilfe des Servius, bei Horaz die Acros und seines Kollegen, um von Christophoro Landino, Antonio Mancinelli, Domitius (Domizio Calderini, 1447-1478) und mehreren andern zu schweigen, die Grosses geleistet zu haben vermeinten, wenn sie die Worte des Probus, Donats und anderer alter Grammatiker in ihre Erklärungen, wie aufgewärmten Kohl, wiederum hineinstopften und dort am geschwätzigsten seien, wo Wortreichtum am überflüssigsten, dort stummer als Fische, wo eine umfangreichere Erklärung nötig sei. Das selbe könne er auch von den Kommentaren der Griechen bekräftigen, doch das sei den Gelehrten schon bekannt. Er hoffe also auf Verständnis, wenn er hie und da geschlafen (nach dem Sprichwort zu Homer) oder phantasiert habe. Es sei nicht jedermanns Sache, Epigramme aufzuschlüsseln. So hätte bei den Lateinern Martial, ausser in Sipontinus (Niccolò Perotto, 1430-1480, Erzbischof von Manfredonia = Sipontum über Martial mit Calderini zerstritten), noch keinen geeigneten Kommentator gefunden, anders als alle andern Autoren. Vergil sei leichter zu verstehen, und bei den Griechen Homer leichter als diese Epigramme. Er habe bis jetzt vier Bücher kommentiert: 1-3 und 7, deren Inhalt er kurz angibt. Wer diese genau verstehe, dürfte auch das vierte, in dem, wie von Philostrat, Statuen und Bilder beschrieben würden (Philostrats Werke waren bis dahin in Venedig 1503 und 1522 im Anhang an die Werke Lukians, 1517 in Florenz und 1535 in Venedig allein griechisch erschienen), das fünfte, das Beschreibungen von Statuen des Thebaners Chrysodorus enthalte, und das sechste mit Weihgaben ohne Mühe verstehen. Denn die Personen, deren Bilder und Weihgaben in den späteren Büchern beschrieben würden, habe er in den ersten gewissenhaft behandelt. Wenn er sehe, dass seine Arbeit der Jugend willkommen sei und der Mühe wert, auch die übrigen Bücher zu erklären, werde er, sobald er Zeit habe, auch diese kurz zu kommentieren versuchen. Ihm widme er die Epigramme mit dem Kommentar, da er auch in dieser den Musen feindlichen Zeit sich an der Dichtung und ihren Verehrern erfreue und sie unterstütze (die Epigramme sind dann - nach dem Tod des Obsopoeus: s. unten - nicht mitgedruckt worden). Er habe nichts mit den gezierten Aristokraten, jenen barbarischen Zentauren oder gar Zyklopen und einigen ungebildeten üblen müssigen Gesetzeskrämern gemein, die, da sie nichts Musenwürdiges hervorbrächten, auch alle schöne Literatur (humaniores literas) mit Hass verfolgten und sein ganzes Studium für unnütz erklärten. Er wolle ihm für die ihm geleisteten Dienste danken und tut dies im folgenden noch ausdrücklich mit einem Gedicht auf seinen - auch mit Heller befreundeten - Arzt Johann Magenpuch, das er auch auf sich beziehen solle (1495-1555, Professor der Medizin in Marburg und Leibarzt Landgraf Philipps des Grossmütigen von Hessen). Er möge den Kommentar gütig annehmen, der vielleicht einst seinem kleinen Sohn Sebastian nützen werde. Obsopoeus muss noch vor Erscheinen des Kommentars gestorben sein (als sein Todesdatum gilt denn heute auch ca. August 1539), denn seiner Widmung folgen in unserm Druck zwei lateinische Grabepigramme auf ihn aus der Feder des Thomas Venatorius. Es ist auch kein späteres Werk von ihm bekannt, so auch nicht die Ergänzung dieses Kommentars.
In Sammelband aus Besitz eines Hieronymus Wacker aus/in Dinckelsbühl, zeitgenössisch zusammengebunden mit der Epigrammata-Auswahl des Camerarius von 1538: B c VIII 86 Nr. 2
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Bc VIII 86:2