GG 348
De Urinis Actuarii Ioannis Zachariae filij, Medici praestantissimi, libri VII, Ambrosio Leone Nolano interprete: in quibus omnia quae de urinis dici possunt, doctissime tractata continentur. Antonij Thylesij Cosentini de coloribus liber. Pauli Aeginetae de Crisi & diebus decretorijs, eorumque signis fragmentum. Andreae Leennij Medici epistola, in qua urinae studium, & ex ea morborum praevidentiam, ut quae servandae sit aptior sanitati, commendat. Basel: Andreas Cratander 1529. 8°.
1519 war als erster Druck eines Werkes des kaiserlichen Hofarztes Johannes Aktuarios (Konstantinopel 1. Hälfte des 14. Jh's.) sein Kompendium der Harnlehre in sieben Büchern in Venedig in der Übersetzung des Ambrogio Leone aus Nola erschienen (Professor der Medizin in Neapel, gest. 1526). Der erste Nachdruck erschien 1522 in Paris bei Simon de Colines, der zweite hier 1529 bei Cratander. Seine beiden andern Hauptwerke erschienen erst 1547 bzw. 1554 in Venedig lateinisch, sein Werk über die Zusammensetzung der Arzneimittel 1539 in Paris in Übersetzung des Jean Ruelle, mit Ergänzungen des Herausgebers Conrad Gesner sogleich 1540 auch bei Robert Winter in Basel (GG 349). Die erste griechische Ausgabe seiner Werke erschien erst 1557 in Paris, ein Jahr nach den beiden ersten lateinischen Gesamtdrucken von Paris bzw. Lyon 1556. Herausgeber unseres Druckes mit einem fachlichen Widmungsbrief von Basel, 31. Mai 1529, an den Arzt Philipp Buchamerus (dem der Widmungsbrief des Übersetzers von 1519 an seinen Sohn Camillo folgt) ist der Basler Arzt Andreas Leennius, der im selben Jahr auch Schriften Galens bei Cratander herausgegeben hat (GG 327). Da Diagnosen und Prognosen aus Harn auf dessen Farben beruhen, hat er sinnvoll die häufig gedruckte kleine Schrift des Antonius Thylesius über die Farben beigegeben - nach deren Druck bei Christian Wechel in Paris vom selben Jahr mit dem Fragment der Schrift über die kritischen Tage des Paulus Aegineta in der Übersetzung Linacre's (dieses war auch schon 1528 im Anhang an einen Galendruck bei Simon de Colines erschienen; Antonio Telesio, Cosenza 1482-1535, Professor der Rhetorik in Mailand, Rom, Venedig). Auch er wisse, beginnt Leennius seine Widmung, dass einst die Erfinder auch alltäglicher Dinge wie des Getreides, des Weins, des Feuers zu Göttern erhoben worden seien, mit Recht, da Undankbarkeit der schändlichste Fehler der Menschen sei. Da dürfe man nicht zulassen, dass diejenigen, die zum wertvollsten Gut, zur Erhaltung der Gesundheit beigetragen hätten, in Vergessen gerieten. Zu denen gehöre bei den Griechen in der ersten Reihe Actuarius, vor allem da er zur Unterscheidung der Merkmale des Harns der weitaus bedeutendste Autor sei. Überflüssig seien alle sterile Spreu und die mit leeren Worten vollgestopften Kommentare der andern, während seine Sammlung von allem auf diesem Gebiet Nützlichen in einem Handbuch den Leser in einmaliger Lektüre mehr bereichere als zehnmaliges Lesen der Regeln der andern. Isacus vor allem habe ein Meer über die Harne vor den Studiosi ausgebreitet statt ihnen das Übersetzen zu zeigen. Die im übrigen bedeutendsten Ärzte Hippokrates und Galen hätten sich nur ganz nebenbei dazu geäussert. Diese alten Kenntnisse habe Actuarius in seinen Epitomen zur Vollendung gebracht; sie seien es wert, von allen, besonders aber den Studenten, gelesen zu werden, zeigten Anfang und Abklingen der Krankheiten aus den verschiedenen Farben des Harns. Mehrmaliges vernünftiges Lesen der Ärzte, besonders des Actuarius, lehre einen die Bedeutungen für Diagnose und Prognose, wofür Leennius in der Folge auf Theophilus (Theophilos Protospatharios, medizinischer Schriftsteller des 9. Jh's) und Egidius (Ägidius von Corbeil, um 1140 - um 1224, nach medizinischer Ausbildung in Salerno in Montpellier und Paris als Lehrer tätig) hinweist. Nicht nur über die Niere, sondern vor allem über Leber und Venen lasse sich aus den Urinen urteilen, die eben ein wässeriger Stoff seien. Krankheiten der Leber und der Venen könne man so im voraus erkennen, was eher Erfolg bringe als bei fortgeschrittener Krankheit die Symmetrie wiederherstellen zu wollen. Und solche Prognosen könne man nirgends erfolgreicher finden als in den letzten Büchern des Actuarius. Und richtige Prognosen - das habe schon Hippokrates erkannt - schüfen dem Arzt Vertrauen. Und ein Arzt, der richtig prognostiziere, könne auch besser heilen und durch die Unterscheidung von Heilbaren und Unheilbaren an Achtung gewinnen. Deshalb habe er diese sieben Bücher des Actuarius in Form eines Handbüchleins zusammen drucken lassen, nachdem er sie zuvor verbessert habe. Ihm widme er den Druck allerdings nicht in der Meinung, dass ihm etwas darin unbekannt sei (ein Topos der Captatio benevolentiae in Widmungen), sondern als Zeugnis ihrer Freundschaft.
Exemplar aus Besitz eines Dr. I. R. Gyger, d.h. wohl des Zürcher Stadtarztes und Professors der Physik Johann Rudolf Geiger/Gyger (1603-1662), zusammengebunden mit zwei weiteren medizinischen Basler Drucken von 1540 und 1542: L m V 1 Nr. 1. Das Exemplar L d XI 2 hat im 16. Jahrhundert ein Abraham Schwalbius für 8 Silberlinge erworben (von ihm zahlreiche Notizen), 1690 ein Unbekannter in Görlitz für 3 Groschen aus der Bibliothek des Lausitzer Naturforschers und Arztes Samuel Ledelius.