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Caelii Aureliani Siccensis Tardarum passionum libri V. D.Oribasii Sardi Iuliani Caesaris archiatri Euporiston lib. III, Medicinae compen. lib. I, Curationum lib. I, Trochiscorum confect. lib I. Basel: Heinrich Petri August 1529. Fol.

Griechische Medizin auch schon in antiker lateinischer Übersetzung: Mit als einzigem Schmuck zwei stil- und entstehungsmässig zusammengehörigen Horizontalleisten Hans Holbeins für die beiden Vorreden der Ärzte druckt Petri im Sommer 1529 Werke zweier Ärzte des späten Altertums, die ihr Herausgeber, der tüchtige Philologe Johannes Sichard, noch für ältere Quellen hält. Caelius Aurelianus aus Sicca in Numidien hat im 5. Jahrhundert n. Chr. gewirkt und u.a. Soran ins Lateinische übersetzt und mit Erkenntnissen aus der eigenen Praxis ergänzt. Mehr Werke sind von Oreibasios aus Pergamon bekannt, der als Leibarzt Kaiser Julians im 4. Jahrhundert n. Chr. in Konstantinopel gewirkt und u.a. aus Auszügen aus Werken älterer Schriftsteller einen Abriss der Heilkunde in siebzig Büchern verfasst hat, von denen etwa 25 erhalten sind. Ziemlich gleich schlecht ist zur Zeit unseres Druckes der Überlieferungsstand der Schriften der beiden Ärzte: Vom kleinasiatischen Griechen Oribasius war gerade im Vorjahr erst ein erstes Stücklein Text von zwei Seiten fragmentum de victus ratione, von Albanus Torinus in einem Sammeldruck De re medica mit Soran, Plinius (unecht) und Apuleius in lateinischer Übersetzung herausgegeben, bei Cratander in Basel erschienen (GG 326), von Caelius Aurelianus überhaupt noch nichts. Von dem Werk des Caelius Aurelianus über die chronischen Krankheiten hat man schon in den noch vorhandenen mittelalterlichen Bibliothekskatalogen nur eine einzige Handschrift feststellen können: in den Katalogen des Klosters Lorsch aus dem neunten Jahrhundert. Schon 1526 in seiner Widmung des Clemens-Druckes Johannes Bebels (GG 430) berichtet der spätere Herausgeber unseres Druckes, Johannes Sichard, durch den Lorscher Leibarzt des Pfalzgrafen Ludwig, Theobald Fettich, Zugang zu einer Handschrift des Aurelianus erhalten zu haben. In unserem Druck nun nennt er genauer die Quelle: die Bibliothek des Frankfurter Bürgermeisters Philipp Fürstenberger. Paul Lehmann vermutet, dass Fettich und Fürstenberger Sichard eine Abschrift aus Lorsch besorgt haben, oder, eher, dass die Lorscher Handschrift des Katalogs des neunten Jahrhunderts in die Bibliothek Fürstenbergers gelangt war. Sie existiert heute nicht mehr; unser Druck ist der einzige heutige Zeuge des Werkes. Auch die bis dahin noch nicht gedruckte Oribasius-Übersetzung geht auf eine heute nicht mehr erhaltene Handschrift zurück. In seiner Widmung des Doppeldruckes an den Leibarzt des Kardinal-Erzbischofs Albrecht von Mainz, Philipp Buchamer (Bucheymer) von Basel, 21. August 1519 erinnert Sichard, nach umständlicher Danksagung für Empfehlungen bei Buchamers Herrn, dem Kardinal Albrecht, und Geschenke, wofür diese Widmung zeugen solle, an Buchamers Klage, dass gerade die für das Leben so zentrale Medizin darniederliege. Doch was sei da heute an Lesenswertem greifbar neben Hippokrates oder Galen bei den Griechen, Cornelius Celsus und Plinius bei den Römern? (Eine verständliche Bemerkung: die Editionen antiker Ärzte setzten gerade erst mit dem Sammeldruck von Torinus/Bebel von 1528 [GG 326], dem hier vorliegenden und weiteren Editionen des Torinus in Basel ein). Und auch bei deren Lektüre suche man meist mehr rhetorisch zu profitieren als in der Medizin. Doch er wolle nicht mit denen streiten, die nach der Entdeckung des Getreides sich immer noch an Eicheln labten. Nur das wundere ihn, dass man so ungern medizinische Schriftsteller in das Verzeichnis der Ärzte aufnehme, und diejenigen, die einen reinen Stil geschrieben hätten, ausschliesse, gerade jene, die es besonders verdienen würden, aufgenommen zu werden. Worauf er über vierzig medizinische Autoren aufzählt, die vor dem Untergang gerettet werden sollten, und die Caelius Aurelianus anführe - Ärzte, deren Werke zum grössten Teil wirklich verloren sind. Buchamer aber, Leibarzt eines so bedeutenden Mannes, der eine ungewöhnliche allgemeine Belesenheit in seine Medizin eingebracht habe, eigne sich dadurch besonders für das Patrozinium des Aurelianus. Denn wer werde ihn besser gegen Bekrittelungen verteidigen, als der, in dessen Hand er schon gewissermassen als Eigentum gelegen habe? Und wer ihn besser lieben, gebe es doch unter den Lateinern wohl keinen sorgfältigeren medizinischen Autor. Über sein Leben könne er nicht mehr sagen, als dass er nach seinem Beinamen ("Siccencis") Afrikaner gewesen sei, worauf ihm auch seine Sprache hindeute. Älter als Galen und Plinius vermute er ihn (zu unrecht, wie wir heute wissen) aus seinem sorgfältigen Eingehen, negativ wie positiv, auf die alten Autoren. Er schöpfe aus den griechischen Autoren, deren Kenntnis er offenbar den Seinen - den Römern - habe vermitteln wollen. Die aus diesem Inhalt entstehenden Schwierigkeiten hätten ihn fast wieder vom Vorhaben der Edition abgebracht, da die Anfänge der Medizin durch Mangel an Quellen und Unwissenheit der Gegenwart in Vergessenheit geraten seien, wenn ihm nicht der medizinisch und allgemein höchst gelehrte Johannes Cornarius geholfen hätte. Aurelianus habe, wie er selber bezeuge, u.a. auch Schriften zur Chirurgie, zu den Frauenkrankheiten, den Medikamenten, zu den akuten Krankheiten verfasst, die durch die Unbill der Zeiten untergegangen seien (auch hierin hat Sichard zum Glück nicht ganz recht behalten, indem die Schrift über die akuten Krankheiten, das Gegenstück zur unsrigen, doch noch existierte und 1533 in Paris erscheinen konnte), welches Schicksal auch die vorliegenden Bücher getroffen hätte, wenn nicht der hochgebildete Bürgermeister von Frankfurt, Philipp Fürstenberger, sie ihm ans Licht gezogen hätte. Im Oribasius - ebenfalls Erstdruck dieser Schriften - habe er, obwohl er vieles fehlerhaft, aber durch die Zeit gewissermassen sanktioniert gefunden habe, nicht ändern wollen, um nicht dem Ansehen der Textsammlung antiker Medizin zu schaden, von der ein guter Teil aus Oribasius stamme, und zu der die gegenwärtigen Ärzte in Zweifelsfällen wie zu einem Orakel Zuflucht nähmen. Über ihn brauche er aber nicht mehr zu sagen, dank Suidas - worauf er die Stelle der Suda in eleganter winziger griechischer Kursive gesetzt - im Wortlaut zitiert. Er hoffe, den kritischen Buchamer zufriedenstellen zu können, und rechne es als seinen Gewinn, wenn er den "medicinae Candidati" damit nützen könne. Er bittet ihn, ihn ihrer beider Herrn zu empfehlen.

L f II 11

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Lf II 11

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2ar: Vorrede des Herausgebers Johannes Sichard, mit Widmung vom 21. August 1519 an Philipp Buchamer, dem Leibarzt des Kardinal-Erzbischofs Albrecht von Mainz, 1. Seite.

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2av: Vorrede, 2. Seite.

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1Ar: Vorwort zur Schrift des Caelius Aurelianus.

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1Av: Beginn der Schrift des Caelius Aurelianus.

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1Nr: Vorwort zur Schrift des Oribasius.

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1Nv: Beginn der Schrift des Oribasius.