GG 411
Theodoriti episcopi Cyrensis Rerum ecclesiasticarum libri quinque conversi in Latinum a Ioachimo Camerario Pabergensi. Catalogi episcoporum in praecipuis ecclesijs & Caesarum, atque aliquot orthodoxorum, nec non sectarum praecipuarum illius temporis historiola, eodem autore. De essentia et substantia ex Graecis conversiones eiusdem. Basel: Johannes Herwagen 1536. Fol.
Im März 1535 war bei Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius die dritte Auflage (GG 410) der Kirchenhistorikerausgabe des Rhenanus von 1523 (GG 409) erschienen, ergänzt um zwei lateinische Texte innerhalb des Bandes und, nach einem Schlussblatt und unpaginiert, als Anhang die griechische Kirchengeschichte in fünf Büchern des Bischofs von Kyrrhos bei Antiochia Theodoretos aus der ersten Hälfte des fünften Jahrhunderts, der diejenige des Eusebios für die Jahre 325-428, allerdings mit stark apologetischer Tendenz, fortgesetzt hat. Sein Hauptwerk neben dieser Geschichte ist denn auch apologetischen Inhalts, eine "Heilung der heidnischen Krankheiten" (diese war schon 1519 lateinisch in Paris erschienen). Zuvor ist sie nur innerhalb der Historia tripartita, d.h. in der Kompilation seiner Kirchengeschichte mit denen des Sokrates und Sozomenos durch Cassiodor in der Ãœbersetzung bekannt gewesen, die sein Mitarbeiter Epiphanius scholasticus in seinem Auftrag hiefür angefertigt hat (in uno corpore duodecim libris habe er sie von ihm übersetzen lassen), so auch in den Basler Drucken von 1523 (GG 409), 1528 und 1535 (GG 410) enthalten. Etwa ein Jahr später dürfte sich der später berühmte Philologe und - auf Berufung Melanchthons - Reformator der Universitäten von Tübingen und Leipzig Joachim Camerarius (1500-1574), Herausgeber und Ãœbersetzer zahlreicher antiker Autoren meist für Basler Drucker, an die Ãœbersetzung gemacht haben, damals Lehrer des Griechischen in Nürnberg. Er hat sie am 13. August - wohl eher 1536 als 1535 - dem aus Nordhausen stammenden Wittenberger Prediger und Professor der Theologie seit 1521, Ãœbersetzer mehrerer Werke Melanchthons ins Deutsche Justus Jonas (1493-1555), der dort sein Lehrer gewesen sein dürfte, gewidmet.
Als dieser Zeit in Basel, beginnt er die Widmung, woher ihm die besten Bücher in grosser Zahl geliefert würden, die griechische Kirchengeschichte Theodorits erschienen sei, habe er, gerade im Bett mit einem alten Ãœbel, sie gierig durchgesehen. Und als er die Bruchstücke der Ãœbersetzung wieder bedacht habe, wie wertvoll zu sein sie ihm auch geschienen habe, und Freunden, die ihn besucht hätten, u.a. dem Stadtkonsulenten Mylius, seine Meinung über jene (griechische Ausgabe) und dass sie ihm sehr gefalle, gezeigt habe, da habe ihn Mylius gebeten, das gefundene Gut mit ihnen zu teilen und auf lateinisch zu übersetzen, damit auch sie es kennenlernen könnten. Auf jede Ausflucht habe Mylius eine Entgegnung gewusst. Wenn er auf die alte Ãœbersetzung hingewiesen habe, habe er ihn damit festgehalten, dass es niemand gebe, der nicht an ihrem Durcheinander (das ist auch heute noch das Urteil) Anstoss nehme. So habe er die nicht so schwierige wie unansehnliche Sache begonnen und während der Arbeit habe der Verdruss abgenommen. Denn obwohl er keinen für gelehrt ansehe, der nicht lieber die griechischen Texte lese als ihre Ãœbersetzungen, wisse er doch, dass viele darauf verzichtet hätten, selber die griechischen Bücher kennenzulernen. Er habe in der alten Ãœbersetzung nicht nur eine Barbarei, sondern auch Unwissenheit und Phantasterei jenes Epiphanius festgestellt, dass er sich wundere, dass einem Griechen nicht nur die lateinische Sprache fremd, sondern auch die eigene habe unbekannt sein können. Er habe also notiert, wo er jenen anders als sich selber habe übersetzen sehen, aber rasch aufgehört, um nicht fast jeder Zeile etwas beifügen zu müssen. Wer er auch gewesen sei, er hätte das Griechisch seines Jahrhunderts besser verstehen müssen. Doch überhaupt seien ihm, der sein Griechisch, soweit dies nun möglich sei, aus den besten Autoren gelernt habe, diese Schriften der späteren Autoren oft dunkel, klängen ihm fremd, wie wenn er zu einem andern Volk gekommen wäre. Und er erinnere sich oft, wie alte Männer in seiner Kindheit, zur Zeit des ersten Spriessens der griechischen Sprache in Deutschland, dieses Studium recht unnütz gefunden hätten, da sie gehört hätten, dass man in Griechenland ganz anders spreche als in den Büchern überliefert werde. Wozu, hätten sie gesagt, lerne man diese Sprache, wenn nicht gerade für eine Gesandtschaft nach Griechenland, damit jemand dorthin gehen könne; doch keiner werde die Sprache der jetzigen Griechen verstehen. Sie hätten damals mit Recht hierüber gelacht. Doch etwas hiervon treffe bei diesen späten Büchern zu, aber immerhin noch so, dass ein gewissenhafter Schüler des Altertums sie erklären könne, dass ihm die Verbesserung eines falsch, gegen die Regeln der Orthographie, geschriebenen griechischen Wortes leicht falle. Darin halte er sich für genug beschlagen, womit er sich allerdings keineswegs über andere erheben wolle. Dass er unter seinen Zeitgenossen besondere Griechischkenntnisse habe, dürfte stimmen. Denn er sei so früh zu diesem Studium geführt worden, so gut von seinem vortrefflichen Lehrer Georg Helt geradezu vorwärtsgetrieben und darangefesselt worden, dass es eine Schande wäre, die Sprache nicht oder nur durchschnittlich zu beherrschen. Trotz dieser gewissen Vollkommenheit seien Inhalt und Sprache des griechischen Werkes allerdings derart, dass die Ãœbersetzung keinen Glanz verbreiten könne, er hätte sie denn herausputzen müssen. Doch dies halte er für gelehrte Werke für unnötig, und zur Zeit seiner Krankheit wäre es völlig widersinnig gewesen. Wenn dennoch, wie Mylius gemeint habe, durch diese kleine Arbeit für die Bibliothek vieler angesehener Männer gewissermassen ein Boden gelegt werde und die Kenntnisse gefördert würden, sei ihm das genug Lohn dafür. Er habe dabei auch Gewinn aus der wiederholten Lektüre aller greifbaren Schriften zur Kirchengeschichte gezogen. Er sei damit aber keineswegs in die Theologie eingedrungen, was er immer vermieden habe, doch dürfte seine Arbeit den Theologen willkommen sein. Zudem habe ihm ihr Inhalt wie ein Spiegel die Augen geöffnet für die gegenwärtigen um vieles grösseren Gefahren. Bei aller Unterschiedlichkeit des Geschehens seien die Fehler doch engst verwandt: Ehrgeiz, Streit, Sturheit, Hass, Verbitterung, Lügen und Betrug, Bedrängung der Könige, Aufhetzung der Masse. In ihnen werde alles untergehen: Frömmigkeit, Ehrbarkeit, Tugend, Disziplin und Ordnung, Wissenschaften und Künste. Möchten das die Regierenden und die Theologen lesen und sich der Heilung der gegenwärtigen Ãœbel zuwenden.
Seine Ãœbersetzung des Theodoritus werde, wenn nicht auch sonst, zumindest der Ordnung wegen gern gelesen werden, da in den bisherigen ein Durcheinander geherrscht habe (in der Kompilation der sogenannten Historia Tripartita). Und Durchschaubarkeit sei in Erzählungen das Wichtigste; sie erreiche man aber am besten durch Ordnung. Zudem habe es zahllose Fehler gehabt. Entweder dürfe man dem Autor nicht vertrauen, oder man müsse Rufinus Mangel an Sorgfalt, den andern Ãœbersetzern Schläfrigkeit vorwerfen. Um nicht nur Fremdes zu schenken, habe er auch aus der eigenen Werkstatt gewisse emblemata (Zugaben) - gleichsam Bilder oder Siegel - hervorgeholt, durch die als Beigabe das fremde Bild geschmückt werden solle, die aber, als klärend und nicht nur unterhaltend, nicht unwillkommen sein dürften (die auf S. 152-171 beigegebenen Catalogi - Sammlungen von Kurzbiographien der Kaiser von Konstantin dem Grossen bis zu Theodosius dem Jüngeren, von Kirchenlehrern, die im Werk vorkämen, eine Bischofsliste (nicht identisch mit der der griechischen Basler Handschrift), eine Zusammenstellung der Lehren der Sekten usw. und die ebenfalls im Titel angeführte kurze Abhandlung über den Unterschied zwischen essentia und substania mit, folgend, einem Brief Basilius des Grossen zu diesem Thema (S. 171-179).
Zwischen der Inhaltsübersicht nach Kapiteln und dem Text finden sich ein griechisches und ein lateinisches Epigramm des Camerarius auf die Geschichte Theodorets. Dem Text sind zahlreiche Marginalien zur Textherstellung beigegeben.
Exemplar f a 140 Neuerwerbung von 1946 (Vorbesitzer: u.a. Kantonsbibliothek Solothurn); Exemplar f a 299 Nr. 2 (zusammengebunden mit den Autores historiae ecclesiasticae von 1535 mit dem griechischen Erstdruck des Theodoret) (GG 410) Neuerwerbung von 1961.