GG 471
Grēgoriou tou Nyssēs episkopou thaumastē biblos, peri kataskeuēs anthrōpou.
Opus admirandum Gregorii Nysseni antistitis, De hominis opificio: Interprete Ioanne Levvenklaio: Annotationibus etiam necessarijs additis. Liber Medicinae, Philosophiae, Sacrarumque litterarum studiosis perutilis. Basel: Johannes Oporin August 1567. 8°.
Zweiter griechischer Druck der Schrift über die Erschaffung des Menschen von Gregor von Nyssa, dem jüngeren Bruder des berühmteren Basilius des Grossen, den dieser, gegen seinen Willen, zum Bischof der kappadokischen Stadt Nyssa gemacht hat. Zuvor lateinisch erschienen war 1512 in Strassburg die von einem Teil der Überlieferung - und dann auch in jenem Druck - ihm zugeschriebene Schrift 'Über den Menschen' oder 'Über die Natur des Menschen' des Nemesios von Emesa, unsere Schrift in einer älteren Übersetzung 1562 (s. unten). Weder von ihm noch von Basilios oder Nemesios stammen die ebenfalls unter den Namen der beiden ersteren überlieferten verwandten Predigten über die Erschaffung des Menschen "nach unserm Ebenbild". Auch von der hier vorliegenden echten Schrift Gregors hatte Beatus Rhenanus seinerzeit für den Druck von 1512 eine neue Übersetzung nach einer Basler Handschrift von Johannes Cuno gewünscht; der griechische Erstdruck war dann 1536 bei Aldus Manutius in Venedig im Anhang an einen Druck von neun Predigten Gregors von Nazianz erschienen. Herausgeber und Übersetzer (seine Übersetzung wird auch noch 1863 von Migne in die griechische Patrologie übernommen) ist jetzt der junge Westfale Johannes Löwenklaw, der sich, wegen der berühmten Drucker in dieser Stadt, wie wir in der Widmung zu seiner Ausgabe des Gregor von Nazianz von 1571 (GG 446) lesen, im Studienjahr 1566/67 nach Basel begeben und an der Universität immatrikuliert hat und, zuerst bei Oporin, nach dessen Tod bei Eusebius Episcopius und Peter Perna, einige bedeutende griechische Erstausgaben und Erstübersetzungen besorgt hat, vor allem nach Handschriften, die ihm der berühmte Handschriftensammler Johannes Sambucus dazu zur Verfügung stellte. Seine erste griechische Basler Ausgabe, nach einem kleineren eigenen Werk bei Oporin schon 1564/65, ist diese Erstausgabe und Neuübersetzung (die erste griechische Gesamtausgabe wird erst 1616-1618 in Paris erscheinen); in der älteren Übersetzung des Dionysius Romanus Exiguus war die Schrift in die lateinische Gesamtausgabe des Nicolaus Episcopius von 1562 (GG 470) aufgenommen worden. Gewidmet hat er die Ausgabe Christoph von der Pfalz, Herzog von Bayern, den er von einem Besuch an seinem Hofe kennt.
Die wichtigste Lehre für Menschen jeden Geschlechts, Standes und Alters sei, beginnt er seine fast dreissigseitige Widmung, sich selber erkennen zu müssen; die Griechen hätten sie als überaus nützlich erkannt und in ihr ein göttliches Orakel gesehen, die Philosophen sie begrüsst. Ursprung, Vorzüge und Wunder in Seele und Körper seien zu erforschen. In der Folge diskutiert Leunclavius die unterschiedlichen Lehren der Philosophen vom Körper und von der Seele und schliesst damit, dass, wenn der Mensch ein Ebenbild Gottes sei, er ihm hierin ähnlich sein müsse: die Bewundernswürdigkeit schon der mit den Tieren gemeinsamen Körperteile und -funktionen, wie viel grossartiger aber, was allein dem Menschen eigen: Sprache und Vernunft, unsterblich und gemein mit den beiden Wesen im Sohn Gottes, was Bewunderung verdiene, nicht Erforschung. Bewundernswert aber habe Gregor von Nyssa, der von den Griechen noch jetzt am 10. Januar gefeiert werde, wie Nicephorus Xantopulus geschrieben habe, das Ebenbild Gottes im Menschen, seine Seele, seine Fertigkeiten behandelt, die Faseleien der alten Weisen, die origenianische Seelenwanderung, die Ewigkeit der Welt des Aristoteles widerlegt, und das in vollendeter Sprache - worüber er ihn, den Fürsten, mit sich einige wisse, der nun schon einige Jahre den Unterricht Bolgang Zundelins aus Konstanz geniesse. Es gebe nichts Vollkommeneres von den beiden Brüdern Basilius und Gregor als den Kommentar des Basilius über die Weisheit Gottes in den ersten sechs Tagen der Schöpfung (Hexaemeron) und die Ergänzung Gregors über den siebenten, die Erschaffung des Menschen, wie auch das Lob des Psellus, Theodorus Prodromus, Pachymeres, Nicetas und Suidas zeige. In Kenntnis dessen habe er seine lateinische Übersetzung den jungen studiosi mitteilen und dazu ihm widmen wollen, zumal die Fürsten, von Gott eingesetzt, noch herrlichere Ebenbilder als die übrigen Menschen seien. Was die Frage beantworte, ob die Herrschaft einem Manne, wenigen oder dem Volk anzuvertrauen sei: als in einem freien Volk und Staat aufgewachsener Mann befürworte er offen die Herrschaft eines Einzelnen (welche Zeilen - freilich nicht als einzige - der Erstbesitzer, der Basler Theologe Johannes Brandmüller, unterstrichen hat), sehe er doch auch die Welt von einem Herrscher regiert, der auf Erden dessen ebenbildliche Entsprechung wünsche. Auch bei der Behandlung des menschlichen Körpers und seiner Glieder und von deren Funktionen kommt Leunclavius wieder darauf zurück, dass die Herrscher das Volk um soviel überragen müssten, wie dieses ihrer Hilfe, ihres Rates und ihres Schutzes bedürfe, wofür er als Zeugen u.a. auch den Redner Demades, Marcianus und schliesslich die indischen Gymnosophisten anführt. Ein weiterer Grund der Widmung sei, dass das Buch schon länger als die längste Ersitzungsfrist, etwa 400 Jahre, seiner Familie gehöre, denn vor etwa 400 Jahren habe es der Präfekt Kaiser Friedrich Barbarossas, freilich in barbarischer lateinischer Übersetzung, seinem Herrn gewidmet. Als er beschlossen habe, das Werk für die Studenten in besseres Latein zu bringen, habe er ihn als Nachkommen des Kaisers für die Widmung ausersehen, wie Nicolaus Cisnerus seine Rede für König Konrad ihm, die über Friedrich II. seinem Hofmarschall gewidmet habe (diese waren gerade 1566 bzw. 1565 bei Nicolaus und Eusebius Episcopius in Basel erschienen). Er strebe seinem Grossvater Johann nach (Johann II. von Simmern), der die gesamte Philosophie von jung auf gelernt, die Rechte beherrscht und in unruhigster Zeit selber Recht gesprochen habe, Medizinkenntnisse besessen habe, wie seine Anmerkungen in medizinischen Büchern belegten, die er ihm einst gezeigt habe, die Geschichte aller Zeiten und Völker überblickt und die seines Geschlechts dargestellt habe. So sei auch er stets von Gelehrten umgeben gewesen: vom Rechtsgelehrten und Kenner des Altertums Nicolaus Cisnerus (Assessor am Reichsgericht im nahen Speyer), dem gescheiten und hochgebildeten Philosophen Wilhelm Xylander (Professor für Griechisch und Mathematik in Heidelberg), dem klugen Kammerdiener seines Vaters Conrad Marius, dem gebildeten Theologen Viling. - Der Widmung voran steht noch eine erste kurze Widmung in Gestalt einer Ehreninschrift für den Pfalzgrafen Christoph vom 1. Januar 1567, ihr folgen u.a., jeweils griechisch und lateinisch, ein längeres Epigramm auf den Fürsten und eine Vita Gregors von Leunclavius sowie Epigramme von Martin Crusius an die Philhellenen und Theodorus Prodromus an Gregor.
Aus Besitz des Basler Theologen Johannes Brandmüller (zusammengebunden mit den diesem von Leunclavius geschenkten Annales des Glykas von 1572 (GG 273), auch hier einige Unterstreichungen, die von interessierter Lektüre zeugen): B a Ia 23 Nr. 2
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Ba Ia 23:2