GG 273

Annales Michaeli Glycae Siculi, qui lectori praeter alia cognitu iucunda & utilia, Byzantinam historiam universam exhibent: Nunc primum Latinam in linguam transscripti & editi per Io Levvenclaium. Ex Io. Sambuci V. C. Bibliotheca... Basel: Eusebius Episcopius & Erben des Bruders Nicolaus Episcopius September 1572. 8°.

In den 1550er und zu Anfang der 1560er Jahre war in Basel bei Johannes Oporin eine zusammenhängende Reihe byzantinischer Historiker erschienen, die meisten herausgegeben vom Augsburger Stadtbibliothekar und Rektor des Gymnasiums Hieronymus Wolf. Nach der Ausgabe einer wichtigen Schrift Gregors von Nyssa noch bei Oporin von 1567 (GG 471), einem Beitrag zu den Monumenta S. patrum orthodoxographa des Grynaeus von 1569 (GG 439), der Ausgabe Gregors von Nazianz bei Eusebius Episcopius 1571 (GG 446), einer zweisprachigen Ausgabe mit neuer Übersetzung der Schriften des "Philosophen und Historikers" Xenophon 1569 bei Thomas Guarin (GG 150) beginnt der aus Coesfeld in Westfalen stammende bedeutende Historiker, Orientalist und Philologe Johannes Leunclavius (Löwenklaw, ca. 1541-1594) 1572, bei Episcopius eine neue Reihe von bisher unveröffentlichten Schriften byzantinischer Historiker und byzantinischer Rechtsquellen herauszugeben, nach Handschriften des Johannes Sambucus. 1562-1565 war Leunclavius nach Studien in Wittenberg 1555 als Magister artium und Student der Rechte Lehrer des Griechischen in Heidelberg gewesen, 1566/67 hatte er sich in Basel als Johannes Löenclavius Vestphalus immatrikuliert, nachdem schon 1564/65 bei Oporin seine De consolatione libri duo erschienen waren. Zu unbestimmter Zeit - und ungewiss ob auf dessen Gut in Schlesien oder Basel - hat er als Gast des Barons Johann von Kitlitz wissenschaftlich arbeiten können. Im Jahre 1571 haben sich die Brüder Johannes von Kitlitz, dem Leunclavius die Übersetzung des Glykas - ohne Orts- und Datumsangabe - gewidmet hat, und Anton von Kitlitz mit ihrem Famulus Abraham Jetzked an der Basler Universität immatrikuliert, als auch Leunclavius an Basler Handschriften Gregors von Nazianz hier arbeitet. Johann von Kitlitz ist bis mindestens 1578 in Basel geblieben, in welchem Jahr er - als strenger Reformierter - mit der damals lutherischen Zensur Basels in Konflikt geraten ist. 1574 oder 1578 weilte Leunclavius bei Ritter Lazarus von Schwendi auf Schloss Burgheim (Kaiserstuhl/Baden). Durch Reisen bis nach Konstantinopel und Bearbeitung originaler türkischer Geschichtsquellen in Wien wurde er zum führenden Türkenhistoriker, der aus Ungarn stammende Johannes Sambucus (Zsàmbok, 1531-1584), der 1552 schon zwei rhetorische Lehrbücher (GG 54) (GG 55) bei Oporin publiziert hatte, seit 1560 in Wien als Arzt tätig, Kaiserlicher Rat und Hofhistoriograph, einer der bedeutendsten Handschriftensammler seiner Zeit. Glykas, möglicherweise aus Korfu stammend, war um die Mitte des 12. Jahrhunderts Sekretär am Hofe Kaiser Manuels I.; seine Chronik sollte eine Weltchronik für die Jugend werden, von der Schöpfung bis zum Jahre 1118; so lässt er zuweilen Wichtiges aus, zu Gunsten oft bunter Exkurse in Naturgeschichte und Theologie. Bei Freunden erinnere er gern an den hervorragend begabten, vielseitig gelehrten und praktisch erfahrenen Sambucus aus dem Gefolge des Kaisers, beginnt Leunclavius seine Widmung an Kitlitz, die sich zu einem Loblied auf den Spender der Handschrift Sambucus entwickelt, aber auch eine praktische Einführung in das publizierte Werk bietet. Hervorragende Werke habe er publiziert, kunstvolle Embleme erdacht und in sinnreichen kleinen Geschichten erklärt (der lateinische Erstdruck erschien in Antwerpen 1564), Dioskurides verbessert und erklärt, neue Sammelwerke herausgebracht und werde dafür allgemein bewundert. Besonderes Lob verdiene er für seine Erforschung des Altertums, um deretwillen er mit grossen Kosten viele seltene alte Münzen gesammelt, viele wertvolle Bücher (d.h. Handschriften) aus allen Fächern vor dem Untergang gerettet habe, die er nicht nach Sitte mancher Neider privat unter Verschluss halte, sondern freigiebig allen zur Verfügung stelle. Und nicht nur verbessere er und bringe sie selber zum Druck, um sie öffentlich nutzbar zu machen, sondern er sende auch viele andern zur Publikation, damit die Gelehrten nicht warten müssten, bis er, nicht mehr durch gewichtigere Geschäfte abgehalten, ihrem Wunsch mit der Hebung herrlicher Schätze selber genügen könne. Dafür werde er von den Gelehrten hoch geachtet und geniesse das Wohlwollen berühmter Männer. Der Kaiser habe ihn, wie Philadelphus den Demetrius von Phaleron, zum Leiter seiner Bibliothek und zum Hofhistoriker gemacht (letzteres wird für diese Zeit bestritten). Niemand sei dafür geeigneter als er. Kein Wunder, dass der Kaiser den Rat des alles beherrschenden Mannes in wichtigen Augenblicken sehr schätze. Sambucus nun habe ihm in den jüngstvergangenen Jahren zwei griechische Annalisten zur Übersetzung ins Lateinische und zur Herausgabe gesandt: Michael Glykas den Sizilier (s. oben) und Konstantin Manasses, da er ihn dessen für fähig halte. Er freue sich über das Zeichen des Wohlwollens, doch seine Griechisch- und Lateinkenntnisse kenne er wohl am besten selber. Doch würden die Gelehrten eine Arbeit im Auftrag des Sambucus kaum ablehnen, zumal sein Brief zeige, dass er seine Empfehlung nie zurücknehme. Er habe den Auftrag erfüllt. Und da Glykas nun zuerst erscheine - Konstantin werde in Kürze folgen - wolle er hier kurz anzeigen, welchen Nutzen seine Publikation verspreche: Seine Geschichte sei in vier Teile gegliedert: der erste enthalte die sechs Tage der Schöpfung und werde einem gottesfürchtigen Leser mit ihren Geheimnissen der Schöpfung grossen Genuss bereiten. Der zweite die Abfolge der Zeiten bis zu Jesus, vor allem nach der Lehre der Kirche mit vielem aus den heiligen Schriften, da über die frühen Reiche von Babylon und Assyrien nur wenig in der heidnischen Literatur überliefert sei. Er behandle kurz Unbekanntes indem er Belege anführe; da aber viele dieser Autoren unbekannt seien, habe er es für wert gehalten, ihre Namen nach dieser Vorrede aufzuführen (die Liste umfasst gegen fünfzig Autoren: s. unten). Zentrale Dinge behandle er sehr treffend, wichtig vor allem für jene, die noch heute blind seien und die Wahrheit nicht erkennen könnten (gemeint sein muss die durch die Reformatoren wieder entdeckte Wahrheit des Evangeliums). So über die astrologischen Vorhersagen: ob die Gestirne den menschlichen Geist leiteten, Wundergeburten, Prophezeiungen, das Schicksal, gute und böse Geister, die Seele, die göttliche Vorsehung, ob diese die Ursache der Sünde sei, die Verstocktheit der Gottlosen, den Unterschied zwischen magischen und wahren Vorzeichen, wo auch von den Wundern des Antichrist die Rede sei, die verschiedenen Meinungen der Philosophen und der Häretiker. Das alles habe seinen Platz in diesem Geschichtswerk, weil es für Jugendliche geschrieben sei. Ausserdem sei es knapp dargestellt nicht breit und wirr wie bei Cedrenus und andern, die ein Handbuch versprochen und riesige Bände geschrieben hätten (die Annalen des Cedrenus waren 1566 in Basel erschienen [GG 272]). Im dritten Teil werde die Geschichte der Kirche mit dem römischen Reich verknüpft, kurz mit der Abfolge der Kaiser. Und da das römische Reich nach Byzanz oder Konstantinopel an die Griechen übergegangen sei, stelle er im letzten Teil deren Herrscher und ihre Taten dar, aus der Auffassung heraus, dass dort der Sitz des grössten Reiches der Welt sei, mit dem man die Geschichte des Westens, die unsere, nicht zu vergleichen brauche. Aus diesem Grund übergehe er sie. Dementsprechend berichteten unsere westlichen Historiker von der Teilung des Reiches zur Zeit Karls des Grossen an nichts mehr von jenen östlichen Herrschern: beide hätten ihren Leuten dienen wollen. In diesem letzten Teil finde sich viel Wissenswertes, das nicht einmal ausführliche Geschichtswerke enthielten. Glykas gelange bis etwas weniger als 400 Jahre vor der jetzigen Zeit, bis zu Johannes Komnenos dem Schönen, dem Sohn Alexanders (Johannes II. Komnenos hat 1118 die Regierung angetreten). Aus dem hier Gesagten erhelle wohl, dass sämtliche Zensoren ihn in das römische Bürgerrecht aufnähmen. Und da manche wünschen dürften, dass er auch die folgende Zeit behandelt hätte, habe er eine eigene Fortsetzung beigefügt, wodurch sein Wert um einiges steige. Er habe nach den zuverlässigsten Historikern, vor allem Choniatas, Acuminatus, Nicephorus Gregoras, Laonicus von Athen die byzantinische Geschichte bis zum Ende durch die Türken fortgesetzt, so dass der Leser das nun praktisch in einem Buch vereint finde. Er, Kitlitz, werde diesen neuen römischen Bürger als gebildeter und unbestechlicher Zensor aufnehmen und ihm damit Wohlwollen schaffen (leicht unheimlich diese scherzhafte Bezeichnung des Barons als Zensor, wenn man weiss, in welch tiefe Glaubenskonflikte er 1578 durch die Basler Zensur gestossen worden ist). Ausserdem biete er sich ihm gewissermassen nach seinem Recht an, da er durch die Arbeit eines Mannes, der in seinem Hause lebe, das römische Gewand angezogen habe (d.h. zur Zeit seiner Arbeit am Glykas hatte Leunclavius im Hause des Barons gelebt). Sambucus, der ihm als erster diese Befreiung ermöglicht habe, habe er aus Schüchternheit nicht ins Angesicht zu loben gewagt; vor ihm habe er ihn, der sich um die Literatur verdient gemacht habe und noch täglich mache, preisen wollen, vor ihm, der sich bekanntermassen um die dem Staat nützlichen Studien ehrenhaftest bemühe.

Der Widmung schliesst sich, in reduzierter Form, die oben erwähnte Liste von Autoren, die Glykas benützt habe, an: unedierte Autoren und Werke, die Glykas als Quellen benützt habe, die edierten seien weggelassen, obwohl sein Werk auch Fragmente enthalte, die sich in den edierten Werken nicht fänden. Der Widmung vorangestellt ist ein fingiertes Gedicht des Glykas an Sambucus.

Die Basler Bibliothek besitzt eine griechische Handschrift bzw. Abschrift der Annalen des Glykas, die am 18. Januar 1572 fertiggestellt worden ist und dem damaligen Bischof von Korinth Konstantinos Rhesinos zugeschrieben wird. Ihre Herkunft ist nicht bekannt. Sie enthält Korrekturen, die von der Hand des Leunclavius sein könnten (mehr lässt sich nicht sagen: E II 12).

Das Basler Exemplar B a Ia 23 Nr. 1 hat Levuenclaius dem Basler Theologen Johannes Brandmüller geschenkt, der als einziger durch seine Stellung in den 1570er Jahren dem Druck der Lutheraner unter Simon Sulzer zu entgehen vermochte. Es enthält zahlreiche Unterstreichungen u.ä. von seiner Hand; zusammenbinden lassen hat er es mit der Ausgabe des Gregor von Nyssa des Leunclavius von 1567.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Ba Ia 23:1

Illustrationen

Buchseite

Titelseite mit Druckermarke und handschriftlicher Widmung an Johannes Brandmüller.

Buchseite

1alphav: Fingiertes Gedicht des Glykas an Sambucus (li); 2alphar: Vorrede des Johannes Löwenklaw mit einer Widmung an Johannes Kitlitz (re), 1. Seite.

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2alphav,3alphar: Vorrede des Johannes Löwenklaws, 2. und 3. Seite.

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3alphav,4alphar: Vorrede des Johannes Löwenklaws, 4. und 5. Seite.

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4alphav,5alphar: Vorrede des Johannes Löwenklaws, 5. und 6. Seite.

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5alphav,6alphar: Vorrede des Johannes Löwenklaws, 6. und 7. Seite.

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6alphav,7alphar: Vorrede des Johannes Löwenklaws, 7. und 8. Seite.

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7alphav: Vorrede des Johannes Löwenklaws (li), 9. Seite; 8alphar: Liste mit den Namen der von Glykas benützten Autoren (re), 1. Seite.

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8alphav: Liste mit den Namen der von Glykas benützten Autoren (li), 2. Seite; 1ar: Anfang der byzantinischen Geschichte des Glykas.

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N10r: Kolophon

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N10v: Druckermarke

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Erste Seite der griechischen Abschrift der Annalen des Glykas, E II 12, fol. 1r.

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Kolophon der Handschrift E II 12, fol. 255v.