Atrocianus, J.: Ioannis Atrociani elegia de bello rustico (...). - Basel, 1528
Autor | Atrocianus, Johannes |
Titel | [Elegia de bello rustico] Ioannis Atrociani elegia de bello rustico, anno redempti orbis M.D.XXV. in Germania exorto ; Praeterea eiusdem Ioannis Atrociani epigrammata aliquot selectiora ; Praemissa etiam est Epistola ad bonas literas hortatoria |
Impressum | Basileae : apud Ioannem Fabrum Emmeum Iuliacensem, anno 1528 |
Umfang | [48] S. ; 16 cm |
Notiz | Impressum aus Kolophon Signaturen: A-C⁸ Zierinitiale Mit je einem Epigramm von Onophryus Atrocianus und Johannes Gloter |
Druckort | Basel |
Druckerei | Faber, Johann (Offizin, Basel) |
Enthaltene Werke | Atrocianus, Johannes: Epigrammata. - Atrocianus, Johannes: Epistola ad bonas literas hortatoria |
Weitere Urheber | Atrocianus, Onophryus Gloter, Johannes |
Bibliogr. Nachweis | VD16 A 4012 |
Signatur | Aleph D X 22:5 |
Anm. zum Exemplar | Rubrizierungen und handgemalte Initiale Zusammengebunden mit vier weiteren Drucken Besitzervermerk des Sammelbandes: Kartause Basel |
Vorbesitzer | Kartause Basel |
Illustrationen
Kommentar
(spl) Die vorliegende Ausgabe bietet die bei Johannes Faber Emmeus Juliacensis im Jahre 1528 erschienene editio princeps der antireformatorischen Dichtung Elegia de bello rustico des Basler Humanisten und Pädagogen Johannes Atrocianus. Eingeleitet wird die in elegischen Distichen gehaltene, 282 Verse umfassende Schrift durch einen Prosabrief, überschrieben mit Ad candidum lectorem epistola, sowie durch ein kurzes Epigramm des Sohnes Onophryus Atrocianus, das sich ebenfalls an den Leser richtet. Im Anschluss an die Elegie sind 30 Epigramme unterschiedlicher Länge abgedruckt.
Einleitungsbrief Ad candidum lectorem epistola [1]
Der siebenseitige Einleitungsbrief, der den Leser – wie im Titel des Werks vermerkt – ad bonas literas aufrufen will, prangert die Bildungsfeindlichkeit der Reformatoren an, die explizit als Ursache für den Bauernkrieg genannt wird. Zugleich sieht Atrocian die im Widmungsbrief gleich zum Auftakt benannte literarum pernicies dafür verantwortlich, dass sich der christliche Glaube insgesamt in grosser Gefahr befindet. Wichtig sei in einer so schweren Zeit, gerade auf die Jugend besonders Acht zu geben und deren Unterricht und Bildung sorgfältig zu betreiben, weil nur die studia honesta ein ehrenvolles christliches Leben garantieren könnten.
Elegia de bello rustico [2]
Die „Elegie über den Bauernkrieg“ hebt an mit mehreren pointierten Fragen, die nach der Ursache für die wilde Raserei der Bauern forschen. Der furor der Bauern bildet denn auch ein wichtiges Motiv, er gibt Anlass zu einer Reihe von Vergleichen mit Beispielen aus der griechischen Mythologie. Die gegenwärtige Zeit, in der überall Laster und Verbrechen herrschen, setzt Atrocian gleich mit den ferrea secla, dem Eisernen Zeitalter; zudem werden Motive aus der christlichen Apokalypse herangezogen. In einer längeren Passage beschreibt Atrocian den Niedergang der Welt anhand von Naturphänomenen.
Besonders wirkungsvoll sind jedoch zwei anaphorische Teile in der Mitte der Elegie. In sechs aufeinanderfolgenden Distichen beginnen acht Verse mit den Worten Quando enim ..., um die Schlechtigkeit der gegenwärtigen Zeit anzuprangern. Kurz darauf lässt Atrocian sogar 24 Distichen mit der an Ephes. 4, 20 anlehnenden Formel Non didicit Christum ... anfangen, um in polemisch antithetischen Gegenüberstellungen die Untaten der aufständischen Bauern aufzuzeigen und sie mit den Leit- und Glaubenssätzen der Reformation zu verbinden.
Auf die Klage der Unmöglichkeit, alle Verbrechen der servilia bella in gebührender Weise in Elegien zu besingen, folgen wiederum zahlreiche Bezugnahmen auf die antike Mythologie, wobei das Bauernvolk, das Bücher verbrennt, als schlimmer angesehen wird als Procrustes und andere von Theseus erschlagene Schurken. Die Elegie endet mit dem Wunsch, man möge einsehen, dass nur Friedenszeiten alles zum Erblühen bringen, sowie mit der Feststellung, dass die eigentliche Ursache des Krieges bei den Lehrern der Reformation zu suchen ist, die die Bauern mit falschen Reden verführten.
Im Ganzen zeichnet sich Atrocians Elegie sowohl sprachlich wie inhaltlich durch unzählige Anklänge an die antike Literatur aus, wobei als Vorbild und Quelle neben Vergil, Horaz und Ovid insbesondere auch Valerius Maximus dient. Besonders hervorzuheben sind zudem die vielen Parallelen, welche die Elegia de bello rustico mit der ebenfalls im Jahr 1528 erstmals veröffentlichten Dichtung Atrocians Nemo Evangelicus (siehe Aleph D X 21:6) aufweist.
Epigramme [3]
Anschliessend an die Elegie ist eine heterogene Sammlung von Epigrammen Atrocians abgedruckt. Die bis auf eine Ausnahme in Distichen gefassten Gedichte weisen ganz verschiedene Thematiken und Ausrichtungen auf. Als Adressaten finden sich Figuren aus der Mythologie, anonyme, lediglich durch eine bestimmte Charaktereigenschaft gekennzeichnete Empfänger (in avarum, in irrisorem), vornehmlich aber Zeitgenossen Atrocians. Ein längeres Epigramm wendet sich an den als poeta doctus gerühmten Humanisten Heinrich Glarean und preist dessen Gelehrsamkeit. Ebenfalls nennenswert ist ein kurzes Gedicht Ad clarissimum iureconsultum, Doctorem Bonifacium Amorbacchium, das die heruntergekommenen Sitten der Zeit beklagt und gute Gesetze wünscht. In diversen Epigrammen finden sich antireformatorische Züge sowie Bezugnahmen auf den Bauernkrieg; eine Spitze gegen den Basler Reformator Oekolampad liefert das Gedicht Ad D. Christophorum comitem de Lupfen, de instabilitate rerum mundanarum.
Dass einige der hier abgedruckten Epigramme schon viel früher entstanden sind, zeigen etwa die Gedichte an Kaiser Maximilian I, der bereits 1519 gestorben ist. Neben einem kurzen, im Asclepiadeus minor gehaltenen panegyrischen Carmen findet sich ein lediglich drei Distichen umfassendes Epitaph auf den Kaiser. Die Sammlung schliesst mit zwei religiös gefärbten Texten: einem Epigramm an die Jungfrau Maria, die als so grossartig bezeichnet wird, dass sie nicht einmal durch Vergil, Horaz oder Homer würdig besungen werden könnte, sowie einer Ad Deum Opt. Max. precatio, die sich ebenfalls durch die Verknüpfung von christlich-religiösen und antik-humanistischen Vorstellungen auszeichnet.
Weitere Werke im Sammelband
Der vorliegende Sammelband enthält neben Atrocians Dichtungen vier lateinische Drucke mit Prosawerken, die alle zwischen 1525 und 1528 publiziert worden sind und sich mit Themen rund um die Reformation beschäftigen.
Weitere Exemplare des beschriebenen Drucks in der UB Basel
Weiterführende Literatur
Hamm, Joachim: Servilia bella. Bilder vom deutschen Bauernkrieg in neulateinischen Dichtungen des 16. Jahrhunderts. Wiesbaden, 2001 [Zu Atrocians Elegia de bello rustico insbesondere die Seiten 225-244 und 304-328, die eine Edition der Elegie, eine deutsche Übersetzung in Prosa sowie Anmerkungen bieten]
Folkerts, Menso: Eine Verwechslung mit Folgen. Die Humanisten Acronius und Atrocianus. In: Sudhoffs Archiv. Zeitschrift für Wissenschaftsgeschichte 85/1 (2001), S. 55-63
Titel und Incipits
[1] Einleitungsbrief Ad candidum lectorem epistola [zum Text]
Ad candidum lectorem epistola.
Incipit: Cum literarum pernicies, neglectusque; cum saepius
Onophryus Atroc. lectori.
Incipit: Perniciosa vomunt totum venena per orbem
[2] Elegia De Bello Rustico [zum Text]
Ioannis Atrociani elegia de bello rustico anno redempti orbis M.D.XXV. in Germania exorto.
Incipit: Quis furor exagitat Germanas undique gentes
[3] Epigramme [zum Text]
Ad Valerium Arimaspum ex barbae longitudine laudem atque nomen sanctimoniae venantem.
Incipit: Enutris barbam mire tonsoris egentem
Ad ingenuum adolescentem Theodoricum ab Engelsperg compatrem suum, de vera nobilitate.
Incipit: Nemo Theodrice est, qui te reprendere possit
In Pamphagum mire voracem, atque ea quae vomuerat resorbentem.
Incipit: Sunt hominem qui te dicant ó Pamphage multi
Ad Ioannem Gilherum quomodo quis hac tempestate aerunosa, queat sibi eruditionis famam comparare apud Germanos.
Incipit: Omnia contemne audacter, si doctus haberi
In Danaen puellam.
Incipit: Affectas nimium Danae formosa videri
In Sylvanum.
Incipit: Dic Sylvane mihi, ferrum quid stringere gentem
De taciturnitate ad Ioannem Valtenbergium.
Incipit: Qui vitare velit permulta incommoda tutus
In avarum.
Incipit: Aurum si plueret, si pontus funderet aurum
Ad D. Fridolinum Meulium, quam ob causam nolint hodie nonnulli sanctorum, licet Evangelio conformes, legendas (ut vocant) recitari.
Incipit: Scire cupis cur displiceat virtutibus actam
Epitaphium Baldasaris Angeli Rinfeldensis.
Incipit: Cinxit Apollinea Caesar mea tempora lauro
De speculo ad Onophrym Atrocianum filium suum.
Incipit: Inventum est speculum quo seipsum nosceret omnis
In fabulas Aesopicas.
Incipit: Fabula grandiloquis olim celebrata poetis
Ad Gebhardum Wagner, de quodam iactabundo, qui dicit: haud dubito carnifici porrigere cervicem ob Christi nomen, cum tamen propter eundem egeno vix tribuat nummum, nec pravis affectibus resistat.
Incipit: Est qui magnifico verborum pondere sese
Ad Leonardum Susher de insano Pamphili amore, qui post multos atque innumeros labores, cum se crederet iam nactum potiundae Glycerae opportunitatem, oleto perfundebatur.
Incipit: Pamphilus insano Glycerae laqueatus amore
Ad Maximilianum. Caesarem.
Incipit: Si quis magnanimi nomine principis
Ad D. Christophorum comitem de Lupfen, de instabilitate rerum mundanarum.
Incipit: Nonne vides huius quam fallax gloria mundi?
Epitaphium Maximiliani Caesaris.
Incipit: Hac requiescit humo Caesar ter maximus olim
Ad Henricum Glareanum poetam laureatum.
Incipit: Conveniunt raro doctrina et vita probata
In irrisorem.
Incipit: Nil non irrides, nil non stolidissime rides
Ad clarissimum iureconsultum, Doctorem Bonifacium Amorbacchium.
Incipit: Induperatores quid sanctas condere leges
Ad Albanum Torinum.
Incipit: Si tibi mellitum misera hac aetate videtur
Cornelius Cursius emerat parvo aere speculum, quod furtiva ablatum manu amare deflebat: et ni consolatus eum fuisset quidam ex amicis suis, dolore contabuisset.
Incipit: Emerat hoc speculum parvo Cornelius aere
Epitaphium Ioannis Aquilae.
Incipit: Hanc tu qui transis tumbam dilecte viator
Pro Imperatoris Turcarum imagine, quam nobis dono dabat Io. Faber Emmeus Iuliacensis.
Incipit: Hic est Turecarum foedissimus induperator
In Claudiam Edentulam, et tamen salacem.
Incipit: Lumina quid iactas? Oculos quid Claudia iactas?
In Serviam anum loquacem.
Incipit: Nunquam non loqueris, vidit te nemo tacere
Ioannes Gloterus, Ioanni Atrociano, humanorum studiorum professori celeberrimo, amicoque optimo felicitatem.
Incipit: Pegasidum salve tutor facunde cohortis
Ioannes Atrocianus, Ioanni Glothero respondet.
Incipit: Salve Musicolas inter numerande disertos
Ad beatam virginem Mariam.
Incipit: Salve regali pollens diademate virgo
Ad Deum Opt. Max. precatio.
Incipit: O pater aetherea resides qui celsus in aula
Erwähnte Personen: Atrocianus, Johannes; Atrocianus, Onophryus; Arimaspus, Valerius*; Englisberg, Dietrich von; Gilherus, Johannes*; Waltenberger, Johannes; Meulius, Fridolinus*; Angelus, Baldasarus*; Wagner, Gebhardus*; Sussherr, Leonhardus; Maximilian I, Kaiser des Römisch-deutschen Reichs; Lupfen, Christoph von; Glareanus, Henricus; Amerbach, Bonifacius; Oecolampadius, Johannes; Thorer, Alban; Cursius, Cornelius*; Aquila, Johannes; Imperator Turcarum*; Gloter, Johannes
Themen: Historisch: Bauernkrieg 1524-26; Reformation
Themen: Poetisch: Asclepiadeus minor; Elegie; Epigramm; Distichon, elegisches; Elegisches Distichon; Anapher; Panegyricus
Themen: Literaturhistorisch: Horatius Flaccus, Quintus; Vergilius Maro, Publius; Ovidius; Valerius Maximus; Aesopus
Themen: Philosophisch, Theologisch: Apokalypse; Maria (Jungfrau)
Themen: Mythologisch: Theseus; Procrustes; Eisernes Zeitalter; Zeitalter, Eisernes; Danae; Silvanus