GG 121

Aristotelous Organon.

Graecolatinum, novissime conversum & emendatum, necnon Annotatiunculis marginalibus utilissimis illustratum: Studio et opera Iohannis Spondani... Basel: Officina Oporiniana [d.h. Hieronymus Gemusaeus und Balthasar Han] 1583. 8.

Wiederum nach zehn Jahren, nachdem in der Zwischenzeit - neben immer noch einer Mehrzahl lateinischer Ausgaben - nur ein einziger auswärtiger Druck erschienen war (und der in Frankfurt bei Andreas Wechel zur Hälfte für den Basler Verlag Thomas Guarins) - kommt ein weiteres griechisches Organon in der Officina Oporiniana von Gemusaeus und Han heraus, mit einer neuen lateinischen Übersetzung und knappen (sehr knappen) marginalen Erklärungen des jungen Hugenotten Jean de Sponde (Mauléon in den Pyrenäen 1557-1595). Der Sohn des Hugenottenführers Inigo de Sponde hatte sich im April 1581 an der Basler Universität immatrikuliert. 1582 gab er bei Eusebius Episcopius die Politik des Aristoteles mit lateinischer Übersetzung und pythagoreischen Fragmenten zur Politik heraus (GG 129), 1583 die Gedichte Homers (GG 173). Nach der Konversion Heinrichs IV. 1594 trat auch er zum Katholizismus über. Seine Organon-Ausgabe in der Officina Oporiniana hat er "ex Musaeo nostro" - von seinem Arbeitsraum aus - in Basel am 20. Januar 1583 sinnig dem Drucker seiner andern beiden Basler Arbeiten, Episcopius, gewidmet. 

Er wundere sich, beginnt er die Widmung, wie der platonische Philosoph Menedem (Menedem von Eretria, Anfang 3. Jh. v.Chr.) die Dialektik gering habe achten können, wie Herakleides (Herakleides Pontikos, Schüler Platos, 4. Jh.) laut Diogenes Laertios geschrieben haben solle, ohne die die Philosophie doch nie ausgekommen sei, wie der platonische Sokrates im Philebos die Menschen als von Natur vernünftig nachgewiesen habe. Umso treffender hätten die übrigen Philosophenschulen (Philosophorum familiae) die Logik ganz besonders geschätzt und zu ihrer entelecheia - ihrer Vollkommenheit - geführt. So der Stoiker Zenon, für den einer, der in der Dialektik nicht ausgebildet sei, in den Reden fehlgehe, denn mit ihrer Hilfe unterscheide man das Wahre vom Falschen, das Wahrscheinliche vom Ungewissen; ohne sie vermöge man nicht richtig Fragen zu stellen und zu beantworten; ihr Werk sei es, richtig zu sprechen und zu denken. Hiemit pfeife Zenon in den gegenwärtigen Schulen Menedem aus. Gut dass jener nicht mehr Anhänger gefunden und die Dialektik ihre Stellung bis in die Gegenwart bewahrt habe, in der ihr Studium so eifrig betrieben werde, mit grossem Nutzen für die richtige Lehrmethode in allen Wissenschaften, denen die Logik diene, und für die Aufdeckung und Widerlegung der Häresien, die in der Kirche so unselig wucherten, zu deren Beschneidung man ihrer bedürfe, um nicht dem Satan Zeit zum Wachsen zu lassen. Nach seiner Meinung müssten die Kinder, wie einst in der Mathematik, zuerst in der Dialektik unterrichtet werden. Er habe sie sich spät angeeignet, da es in seinem Lande, wo er den ersten Unterricht genossen habe, nicht üblich gewesen sei, die Logik des Aristoteles zu behandeln, was dort nur einmal geschehen sei - von einem Mann, der Aristoteles wie die Pest gehasst habe, woraus man sich seine Gewissenhaftigkeit in der Deutung vorstellen könne, bei der er nur von Ramus (der Reformaristoteliker und Hugenotte Pierre de la Ramée, umgekommen 1572; in Basel war u.a. der gerade zu Beginn des Jahres 1583 an der Pest gestorbene Johannes Thomas Freigius sein Anhänger gewesen) gesprochen habe, wie wenn die wahre Logik aus der Quelle des Ramus zu schöpfen wäre. Durch seine Geltung habe der im übrigen von ihm hoch geschätzte Mann erreicht, dass seine Schüler den Fürsten des Peripatos mit Füssen getreten, für eher des Feuers als der Augen und Hände der Studenten wert gehalten hätten. So viel er wisse, hätten alle diesen Irrtum inzwischen eingesehen und ihre Leichtgläubigkeit verurteilt; wer nicht, der habe wohl die Bücher des Aristoteles kaum angerührt, wenn er meine, die Logik aus Aristoteles nicht lernen zu können. Was das für ein Richtspruch sei, einen zu verurteilen ohne ihn angehört zu haben, was jener bei seinem Ramus (der im übrigen auch der seine sei) ja auch nicht so gehandhabt sehen wolle. Daher täten recht diejenigen, die die Bücher des Aristoteles hüteten, auch wenn diese durch die Zeiten keineswegs fehlerfrei geblieben seien. Schon Strabo (ca. 63 v. Chr. - 19 n. Chr.) berichte in Buch 13 von der Gleichgültigkeit der Kopisten beim Abschreiben und beim Vergleich mit der Originalhandschrift (prototypus). Dennoch hätten sie ihren Glanz und ihre Geltung (authoritas) bewahrt. Lobenswert daher die Vorhaben derer, die Aristoteles nicht nur schätzten, sondern auch seine Bücher nach bestem Vermögen erklärten. Zu diesen gehörten die Interpreten und die Drucker; zu den Interpreten die Übersetzer ins Lateinische und die Kommentatoren. An Übersetzungen seien in diesem Jahrhundert so viele entstanden (s. Hospinian 1573 [GG 120]; die lateinischen Drucke des Organon sind denn auch im 16. Jahrhundert noch bis zuletzt viel zahlreicher als die griechischen, zudem an allen möglichen Druckorten erschienen), dass kaum noch etwas fehle; und arabische, griechische und lateinische Kommentare hätten so viel geklärt, dass, wer Aristoteles dunkel nenne, verdunkelte Augen haben müsse. Dennoch sei eine gewisse Auswahl zu treffen, da die einen barbarisch, andere eleganter geschrieben hätten. Obwohl er meine, dass beim Übersetzen bekannte und in der Schule gebräuchliche Begriffe und eine anerkannte und verbreitete Ausdrucksweise anzuwenden seien, damit man nicht durch willkürliche Änderungen und Neuerungen die studiosi abschrecke, sei der Hauptlehrer der Solözismen ihr täglicher Gebrauch, von dem alle abhingen. Das gelte ganz besonders für das aristotelische Organon, da es in den Schulen recht ausgiebig behandelt werde, was er auch hier eingehalten habe. Er sei der Mehrzahl der Interpreten gefolgt, damit die Jugend daran Freude habe, wenn sie nichts so Neuartiges finde, das sie von den üblichen Wegen abbringe. Er habe zwar manches geändert, so dass die Ausgabe nichts Veraltetes enthalte, doch so, dass die Jungen keinen Nachteil davon spürten. Er habe zum besseren Verständnis des Werkes und zur Genugtuung eben dieser Jugend Randbemerkungen angebracht, die die dicken Kommentare einigermassen ersetzen könnten. Kurze, da die Seitenränder keine Breite erlaubt hätten. Der Leser möge das gutheissen, bis er Ausführlicheres von ihm erhalte. Die zweite Gattung der Aristoteleserklärer seien die Drucker. Unter ihnen müsse er die Nachfolger in der Offizin Oporins loben, in der einige gut ausgearbeitete Bände Aristoteles erschienen seien (z. B. mehrmals Georg Lieblers Epitome seiner Naturphilosophie, 1573 das Organon [GG 120]) und jetzt dieses Organon erscheine, das er auf ihre Bitten hin vorbereitet habe. Aber auch er, Eusebius, verdiene nicht den letzten Platz, der er bis dahin verschiedene Aristotelesbände hervorgebracht habe und eine Gesamtausgabe plane, welche die gesamte Geisteswelt (res literaria) ungeduldigst erwarte. Er solle sie ohne zu zögern schnellstmöglich herausbringen (erschienen waren 1582 Folioausgaben der Politik [GG 129] und der Nikomachischen Ethik [GG 128] mit Kommentaren Theodor Zwingers; eine Gesamtausgabe ist bei Episcopius, überhaupt in Basel nach der griechischen von 1550 [GG 115] und den lateinischen von 1542 und 1548 nicht mehr erschienen). Das vorliegende Organon widme er ihm zum Zeichen ihrer Freundschaft.

Das basler Exemplar Bc V 49 hat 1602 der Basler Johann Friedrich (ein Eintrag nur: Friedrich) Niger = Schwarz erworben (1584-1639); er hatte sich 1600 an der Basler Universität immatrikuliert, war 1613-1618 Pedell der Universität, 1618-1639 Pfarrer auf der Landschaft.

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Bc V 49

Illustrationen

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Titelseite mit Besitzervermerk: "Johannis Friderici Nigri. Basileensis. 1602"

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Vorrede von Johannes Spondanus (Jean de Sponde) an Eusebius Episcopius, von Basel den 20. Januar 1583, 1. Seite

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Vorrede, 2. und 3. Seite

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Vorrede, 4. und 5. Seite

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Vorrede, 6. und 7. Seite

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Anfang der 'Isagoge' von Porphyrius

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