GG 266
Appiani Alexandrini Romanarum Historiarum De bellis Punicis liber, De bellis Syriacis liber, De bellis Parthicis liber, De bellis Mithridaticis liber, De bellis civilibus libri V, De bellis Gallicis liber, seu potius epitome. Omnia per Sigismundum Gelenium Latine reddita. De bellis Illyricis liber, P. Candido interprete. De bellis Hispanicis liber, Caelio Secundo Curione translatore... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius 1554. Fol.
Ähnlich wie bei Dio Cassius haben die Nachfahren der Römer auch diese griechische Geschichte ihrer grossen Vergangenheit früh ins Italienische übersetzt: schon 1502 erschien in Rom ein erster italienischer Teildruck; weitere folgten ihm 1519, 1520, 1522, 1524, 1526 (in diesem Jahr sogar je einer in Florenz und Venedig), 1528, 1531 (wieder einer in Florenz und einer in Venedig), 1538, 1542 und so weiter. Immerhin war von der römischen Geschichte dieses Alexandriners aus dem zweiten Jahrhundert nach Christus, der in Rom als Advokat tätig war und seine Geschichte - von den Anfängen bis zu Trajan - nach den einzelnen Völkern und Ländern gegliedert und eingeteilt hat, wie sie dem römischen Imperium einverleibt worden sind, schon 1472 auch eine lateinische Übersetzung erschienen, aus der Feder des Mailänder Humanisten, Sekretärs Papst Nikolaus V., König Alfonsos I. von Neapel, der Este in Ferrara Pier Candido Decembrio (1392-1477), eines fruchtbaren Vermittlers antiker Handschriften, u.a. an Lord Humphrey, Duke of Gloucester, und Autors. Bis zum Erscheinen des ersten griechischen Drucks im Jahre 1551 beim Königlichen Drucker Charles Estienne in Paris ist sie noch mindestens sechsmal in Italien, zweimal in Frankreich und einmal in Mainz erschienen, 1544 in Lyon eine französische Übersetzung nach der des Candidus. Hier erscheint zum ersten Mal wieder eine Übersetzung, die auf den griechischen Text zurückgeht, aus der Feder des jahrzehntelangen Mitarbeiters der Officina Frobeniana, des Prager Humanisten Sigismund Gelenius (1494-1554). Sie ist sein letztes Werk, durch seinen plötzlichen Tod abgebrochen, das Fehlende teils aus der alten Übersetzung des Candidus, teils vom Basler Herausgeber Celio Secondo Curione selber ergänzt. Dieser hat denn auch die Widmung, die Gelenius vorgesehen hatte, ausgeführt, an den gemeinsamen Basler Freund, Rechtsgelehrten und Humanisten Bonifacius Amerbach, und diese Widmung vom 7. Juni 1554 zu einem Nachruf auf Gelenius ausgestaltet. Er beklagt den plötzlichen Tod des Gelenius, der dieses Werk Amerbach habe widmen wollen, was er als dessen enger Freund nun vollenden müsse, und würdigt den Basler Gelehrten aus einer vornehmen und gebildeten Prager Familie, dessen Vater das Lob der Torheit des Erasmus ins Böhmische übersetzt habe (was übrigens die erste Übersetzung einer Schrift des Erasmus in eine Volkssprache gewesen ist). Seine Bildung, seine Bildungsreisen, nicht nur zu Studien, sondern auch zur Menschenkenntnis, in Deutschland, Frankreich und Italien, bis nach Korsika, Sardinien und Sizilien; zur Aneignung der Sprachen: Latein, Griechisch bei Musuros und Italienisch in Italien, Französisch in Frankreich, Deutsch in Deutschland. Auf dem Rückweg nach Deutschland sei er nach Basel, wo damals Erasmus gelebt habe, gekommen (1524) und habe ihn aufgesucht; dieser habe ihn wegen seiner Bildung zurückgehalten, ihn eindringlich dem berühmten Buchdrucker Johannes Froben empfohlen, bei Einverständnis des Gelenius diesen zum Leiter seiner Offizin zu machen, in der die alten Autoren der drei Sprachen erschienen. Gelenius habe sein Vaterland dann dort gesehen, wo Freunde, wo die Künste gelebt hätten, und habe sich halten lassen. Er habe über dreissig Jahre für Johannes Froben und dann Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius gearbeitet. Habe ein fleissiges Mädchen geheiratet, fünf Kinder gehabt, von denen eine Tochter und zwei Söhne noch lebten, der ältere bei seinen Verwandten in Mähren (der 1538/39 in Basel immatrikulierte Erasmus Gelenius Basiliensis?), der jüngere zu Studien bei der Mutter (Paulus Gelenius Bohemus hatte sich gerade 1553 in Basel immatrikuliert). Während dieser dreissig Jahre habe er neben der Arbeit in der Offizin unzählige verderbte Stellen in griechischen und lateinischen Autoren wiederhergestellt und verbessert, ein viersprachiges griechisch-lateinisch-deutsch-dalmatinisches (sclavinicum-slavisches) Lexikon zusammengestellt (das kleine Bändchen erschien 1537 bei Froben und Episcopius, auf das Doppelte vermehrt nochmals 1544 bei Froben und Winter [GG 267]). Danach habe er die Naturgeschichte des Plinius und Livius verbessert herausgegeben (beide 1539), die Altertümer des Flavius Josephus aus dem Griechischen übersetzt und lateinisch erklärt, dessen andere Schriften mit griechischen Handschriften verglichen und verbessert (1548) (GG 239), das selbe für viele Homilien des Chrysostomus geleistet (1547) (GG 406), für die Römische Altertumskunde des Dionys von Halikarnass (1549), die Kirchengeschichte des Euagrius, die Schriften des Origenes gegen Celsus, die Werke Philos, welche Arbeit kurz vor seinem Tod erschienen sei (März 1554) (GG 109), als letztes für Appian, worin er auch sich selber übertroffen habe. Danach habe er sich Iustinus martyr zugewandt und bis zu seiner Krankheit schon den Grossteil übersetzt gehabt. Mitten aus einem Wort habe ihn die Krankheit weggerissen (erschienen 1555) (GG 464). Sieben Autoren habe er so unübertroffen übersetzt. Curione beschreibt darauf seine hohe, vom Sitzen volle Gestalt, seinen lebhaften Geist, zu allen Künsten begabt, seine Güte, die ihn kaum je habe erzürnen lassen, seine Bescheidenheit, in der er auch nie auf Reichtümer ausgewesen sei, hingegen bedürftige Gelehrte unterstützt habe. Einem an ihn ergangenen Ruf an den böhmischen Hof habe er das hiesige ruhige Leben vorgezogen. Seine Freunde seien Erasmus, Beatus Rhenanus, die Froben und Episcopius, schliesslich Bonifacius Amerbach und er selber gewesen. Freundschaft, die, was unmöglich scheine, schaffe, gehe, wie der Geist, nicht mit dem Tod unter. Sein verehrter Erasmus lebe immer noch in seiner Erinnerung. Auch ihn habe er in all den Jahren (der Refugiant Curione wirkt seit 1546 als Professor der Rhetorik in Basel) nie im Stich gelassen, ihm Gutes getan. Wahrhaft habe Gelenius Christus verehrt, sei ergeben ins ewige Leben hinübergetreten, ein seliger Tod nach seiner Arbeit im 57. Altersjahr. Zu Appian wolle er sich nur kurz äussern, seine Lektüre bringe ihm mehr Unterhaltung als seine, Curiones, Worte. Er solle ein Sophist, d.h. ein Rhetor und gebildeter Lehrer gewesen sein, habe zur Zeit Kaiser Hadrians gelebt, laut Volaterranus 22 Bücher zur römischen Geschichte hinterlassen, von denen er aber nur elf aufzähle, von denen neun von Petrus Candidus übersetzt seien: der Lybische (so nenne er ihn), Parthische, Syrische, Mithridatische Krieg und fünf Bücher Bürgerkriege. Der Illyrische und Keltische Krieg seien wohl nicht von Candidus übersetzt, nur in seiner Ausgabe beigegeben, wohl auch nur Bruchstücke, Zusammenfassungen, nicht von Appian. Die griechischen Handschriften (graeca exemplaria) wichen stark von einander ab: die des Sekretärs von Papst Nikolaus Candidus habe, falls dieser alles Erhaltene übersetzt habe, den hier herausgegebenen Spanischen Krieg (er erscheint hier in der Übersetzung Curiones) nicht enthalten, die Medizeische habe ihn. Hinwiederum enthalte der Druck von Robertus Stephanus, den Gelenius verwendet habe, weder den Illyrischen noch den Spanischen: das zeige die Nachlässigkeit der Kopisten bei der Abschrift der alten Denkmäler, die kein einziges vollständiges Exemplar überliefert hätten, falls nicht die Zeit oder wechselnde Kriegsgeschicke sie so verstümmelt hätten. Im Punischen Krieg nenne Appian selber, als seine Werke, einen Sizilischen, Spanischen Krieg und die Annibalgeschichte, im Spanischen hingegen einen Sizilischen, Annibalischen und einen Viriatischen (nach dem Anführer der Lusitanier Viriatus gegen die Römer), die er einzeln herausgegeben habe. Doch diese drei fänden sich nirgends. Vielleicht kämen sie noch, wie anderes, zum Vorschein. Aber auch die überlieferte Reihenfolge stimme wohl nicht; Appian selber nenne eine andere. Gelenius habe alles bis auf den Illyrischen Krieg übersetzt, der zur Vollständigkeit aus dem Druck des Candidus hier ergänzt sei, und den Spanischen, den er nach einer fehlerhaften Vorlage (exemplar) so gut wie möglich übersetzt habe. Weshalb Gelenius nach Candidus das Werk noch übersetzt habe, erkenne ein Gebildeter leicht bei einem Vergleich, nämlich dass er sich hier nichts Unnötigeres vorgenommen habe als bei Dionys von Halikarnass, der auch schon lateinisch existiert gehabt habe, wenn man lateinisch nennen dürfe, was voller Barbarismen stecke, und übersetzt, was oft umgesetzt und versetzt sei. Zum Stil Appians sei zu sagen, dass er sich die Art des Thukydides und Sallusts vorgenommen habe und ihre ehrfürchtige Tonart und ihre unsterbliche Eile habe nachahmen wollen. Denn er habe nicht eine zusammenhängende Geschichte wie Livius verfasst, sondern getrennte Einzelkriege, welcher Gattung auch Caesar in seinen Commentarii gefolgt sei. Hierin finde sich nichts Überflüssiges, Wunderbares, keine zum Aufprunken erfundene Reden; alles sei rein, ehrfürchtig und notwendig. Er habe nicht die eitle griechische Geschichtsschreibung nachgeahmt, die nicht Geschichte, sondern Märchen sei. Doch Geschichtsschreibung sei, wie sie Antonius bei Cicero elegant und treffend beschreibe, eine Zeitzeugin, ein Licht der Wahrheit, Leben der Erinnerung, Meisterin des Lebens, Künderin der Vergangenheit. Diese wahren Geschichten Appians aus der Hand des Gelenius möge er mit dessen Gattin und Kindern in seine Obhut nehmen.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: C C II 14 Nr. 2
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: CC II 14:2