GG 391
Divi Ioannis Chrysostomi Psegmata quaedam, nuperrime a Ioanne Oecolampadio in latinum primo versa: cum adnotationibus eiusdem. Basel: Andreas Cratander März 1523. 4°.
Schon im Jahre 1522 waren die ersten drei Übersetzungen einzelner Schriften des Johannes Chrysostomus aus der Feder des späteren Basler Reformators Johannes Oecolampad in Mainz erschienen, deren zwei hat Cratander zusammen mit zwei Übersetzungen Capitos von 1519 schon in den fünften Band seiner Ausgabe mit älteren Übersetzungen im August 1522 (GG 390) aufgenommen. 1482 in Weinsberg geboren, hat sich Oecolampad nach Studien in Heidelberg (1499-1503: magister artium) und Tübingen (1513) im Sommersemester 1515 - zugleich mit Capito und Hieronymus Froben - in Basel als Johannes Icolampadius (zeitgenössisch "korrigiert" in Oecolampadius!) arcium magister immatrikuliert, 1515/16 an der Ausgabe des griechisch-lateinischen Neuen Testaments des Erasmus (GG 16) mitgearbeitet, im September 1518 seine Dragmata Graecae literaturae bei Cratander und Cruft herausgegeben (GG 21); Anfang Winter hat er in Theologie doktoriert und ist als Domprediger nach Augsburg berufen worden. Von April 1522 an als Schlosskaplan Franz von Sickingens auf der Ebernburg für eine Reform der Kirche tätig, daneben sich mit der Übersetzung von Kirchenvätern befassend, flüchtete er im November nach Basel, wo er vom Drucker Andreas Cratander aufgenommen wurde. Seit Frühjahr 1523 lehrte er, neben Predigeramt am Münster, als Dozent an der Basler Universität: bald wurde er, gegen die Fakultät, vom Rat zum ordentlichen Professor der Theologie ernannt.
In seiner Vorrede an den Leser preist Oecolampad Redekunst und Weisheit des wahrhaften Johannes "Goldmund" als unbeschreibbar, sogar unter den Griechen. Sie hätten ihn schon zu Lebzeiten für Augustin und den ganzen Westen berühmt gemacht. Und heute wirkten die, die aus seinen Schriften gelernt hätten. Diese Bedeutung bezeugten auch die Schriften, die er hier neu der Christenheit lateinisch zur Verfügung stelle. Um zu zeigen, wie viel noch fehle, nenne er sie schlicht psēgmata: auri ramenta - Goldspäne. Der Grossteil sei bis dahin lateinisch unbekannt, und man finde auch kaum eine Bibliothek, in der seine Schriften griechisch vollständig vorhanden wären, das bezeuge schon Suidas. Im Kloster Spanheim (Sponheim bei Bad Kreuznach, Benediktinerabtei, deren Abt Johannes Trithemius 1483-1505 über 2000 Bücher, vorwiegend Handschriften angeschafft hat) habe er Exzerpte aus seinen Kommentaren zur Genesis, zu Lukas, zur Apostelgeschichte, zu fast allen Paulusbriefen und weiteren Schriften gefunden, die bis dahin grossenteils noch unbekannt gewesen seien. Auch Späne seien nichts Geringes, zumal goldene, zumal solche aus himmlischem Gold. Auch er hätte lieber ganze Platten als Späne gegeben, doch man müsse wollen was man könne. Er hoffe, die 66 Predigten zur Genesis mit Weiterem bald folgen lassen zu können, denn die übersetze er jetzt (sie sind noch im September des selben Jahres, somit auf die nächste Buchmesse, ebenfalls bei Cratander erschienen [GG 392]). Doch er hoffe, auch diese Publikation werde man dankbar, wie einen im Kriege verloren geglaubten Sohn, entgegennehmen. Diejenigen, die immer kritisierten, hier ein Wort als zu wenig lateinisch, dort eines als mehr griechisch als lateinisch, diesen Satz als dunkel, jenen als misstönend, die berührten ihn nicht. Schliesslich weist er auf die über das Übliche hinaus beigefügten Annotationes (Marginalien) hin, die dem Leser nützen sollten, andernfalls auch nur ein Verschleiss an Papier seien.
Die Titeleinfassung aus vier Platten des Metallschneiders Jacob Faber zeigt oben und unten musizierende, auf beiden Seiten an Säulen spielende Knaben. Exemplar aus dem Basler Augustiner-Chorherrenstift St. Leonhard: F J IX 6 Nr. l
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: FJ IX 6:1