GG 451
Omnia D. Basilii Magni archiepiscopi Caesareae Cappadociae, quae extant, Opera, iuxta argumentorum congruentiam in Tomos partita quatuor, Iano Cornario medico physico interprete... Basel: Hieronymus Froben und Nicolaus Episcopius [März] 1540. Fol.
Im selben Jahr, nach dem Datum der Widmung des Übersetzers wohl sogar im selben Monat wie die neue Übersetzung des Musculus bei Hieronymus Frobens Stiefvater Herwagen (GG 450), erscheint bei Hieronymus Froben selber und seinem Schwager Episcopius eine weitere neue Übersetzung der Schriften Basilius des Grossen, aus der Feder des Arztes, wie schon 1538 Frankfurter Stadtarztes, Janus Cornarius, eines Übersetzers zahlreicher griechischer medizinischer Werke: in vier durchpaginierten Bänden (S. 1-264, 267-412, 415-622, 627-758). Die erste Hälfte hat er am 20. März 1540 dem kunstsinnigen, humanistisch gebildeten Kardinal und Kurfürsten Erzbischof von Mainz, Magdeburg und Halberstadt, Erzkanzler des Römischen Reiches Albrecht von Brandenburg, gewidmet, die zweite am selben Tag dem reformatorisch eingestellten Erzbischof von Köln und Kurfürsten Hermann von Wied. Vieles veranlasse ihn dazu, beginnt er seine Widmung, in der er u.a. seine Übersetzungsprobleme lehrreich darstellt und eine kurze allgemeine Übersetzungsgeschichte bietet, seine Übersetzung des ersten und zweiten Bandes der Werke des Basilius ihm zu widmen, so seine Bedeutung für sämtliche Philosophie und alle Wissenschaften. Für die Rhetorik bezeugten es noch heute Gregor von Nazianz und der Sophist Libanius, für die Theologie Philostorgius und seine eigenen Briefe. Daher die Widmung an einen hohen Fürsten und Kardinal, den ersten unter den Bischöfen und Kurfürsten Deutschlands. Zum Umstand, dass die Fürsten Widmungen als Ehrungen verstünden, komme für ihn persönlich, dass er für seine Hochherzigkeit nach der Widmung seiner Übersetzung der Schrift Galens über die Zusammensetzung der Heilmittel (1537 bei Froben und Episcopius erschienen [GG 336]) ihm zu danken habe und dies mit einer Erstveröffentlichung habe tun wollen. Und da habe sich dieses Werk besonders geeignet, besser als die doch hervorragenden Schriften des Hippokrates und Galens, die er in Arbeit habe und, so Gott wolle, einst veröffentlichen werde (seine vollständige Hippokratesübersetzung ist 1546 bei Froben und Episcopius erschienen [GG 321]). Dieses würde die Mehrheit allerdings eher billigen, jetzt gar ihn einen Überläufer in fremdem Gebiet schelten; auch deshalb widme er diese Arbeit Seiner Hoheit, da man heute von einem Arzt keine Theologie erwarte, wie aus einem Bimsstein kein Wasser, von einem Bäcker keine Architektur; so seien die Wissenschaften heute von einander getrennt, dass es gleichsam eine Sünde sei, etwas anderes zu behandeln, als was man von sich aus zu lehren (privatim profiteri) begonnen habe. Für die meisten stimme dies zwar nach dem - mittelalterlichen - Sprichwort, dass man sich durch Beschäftigung mit vielerlei verzettle, doch ein Arzt sei keineswegs ungeeignet zur Behandlung der Theologie, da die Theologie gleich wie die Medizin Teil der Physik sei, mit deren Titel sich die meisten Ärzte schmückten. Doch es würde zu weit führen, die heidnischen Philosophen aufzuführen, die Theologisches und Medizin gleichermassen behandelt hätten, wie Plato, Aristoteles, Chrysipp. Sie hätten in ihrer Ordnung zwar die "rationale" Dialektik immer der Ethik und der Naturlehre vorangestellt, doch bei der Rangordnung von Ethik und Naturlehre habe z. B. Chrysipp die Voranstellung der Naturlehre mit der Entstehung aller Eigenschaften aus Zeus und der gemeinsamen Natur begründet. Und auch unter den christlichen Ärzten hätten viele von Beginn bis heute Theologisches erörtert. So brauche er sich nicht zu rechtfertigen, warum er von seiner medizinischen Tätigkeit (a professione mea medica) entgegen der allgemeinen Gewohnheit der Ärzte abgewichen sei: wer die Zerrüttung des Jahrhunderts betrachte, dürfte auch so verstehen, dass er es teils im Sinne seiner ersten Tätigkeit getan habe, teils um die viel grössere Zerstrittenheit jener ersten christlichen Zeiten kennen zu lernen und dadurch die Gegenwart leichter zu ertragen, in der, verglichen mit den Kämpfen des Basilius, eher Uneinigkeiten und Parteiungen herrschten als eigentliche Häresien. Er hoffe, dass die Lektüre des Basilius unter anderm den Nutzen bringe, dass die wahrhaft Frommen das richtige Verhalten in diesen Streitigkeiten lernten, nämlich weder rechts noch links von ihrem Weg abzuweichen. - Im ersten Band sei das meiste schon von andern übersetzt gewesen; da nehme er es gern in Kauf, wenn Kundige beider Sprachen und der Theologie seine Arbeit für unnütz erklärten. Er brauche nicht zu sagen, was er bei Argyropulos und Volaterranus (s. zur Übersetzung des Musculus) vermisse, deren einer die Homilien zum Hexaemeron, der andere die zu den Psalmen und das Übrige in diesem Band übersetzt habe. Man dürfe es jedenfalls nicht als unvernünftig ansehen, schon früher Übersetztes nochmals vorzunehmen: erstens weil so notgedrungen einer gleichsam des andern Übersetzer (interpres) werde, zweitens werde aus einem Vergleich ersichtlich, welche Vorlage einer benützt habe, da verschiedene Vorlagen oft verschiedene Lesarten böten; schliesslich nehme der Reichtum der lateinischen Sprache zu. So würde schlussendlich aus wiederholten Schlägen die Wahrheit, wie aus dem Stein das Feuer, herausgeschlagen. Dafür seien schon Germanicus und Sextus Rufus Zeugen, die auch nach Cicero Arats Phaenomena übersetzt hätten. Ebenso habe Plato viele Übersetzer gehabt, und wenn einer diese Arbeit sich noch einmal vornehme, dürfte er damit sich nicht geringen Ruhm erwerben. Das selbe gelte für Aristoteles und Galen; damit sei für Spätere immer noch Ruhm zu erwerben (während die lateinische Gesamtausgabe der Werke des Hippokrates von 1546 bei Froben und Episcopius dann vollständig von Cornarius neu übersetzt war, ist ihre achtbändige lateinische Galenausgabe von 1542 [GG 342] noch eine Sammlung schon erschienener verschiedenster Übersetzungen, u.a. auch von Cornarius). Kürzlich hätten auch Theodoros Gaza als erster, dann Giorgio Valla und nach beiden Angelo Poliziano die Problemata Alexanders von Aphrodisias übersetzt, und der Weg sei einem vierten nicht versperrt (schon 1540 erschien denn auch in Paris eine zweisprachige Ausgabe mit neuer Übersetzung von Jean Davion). Vom zweiten Band, im Zentrum seiner Ausgabe, den er ebenfalls Seiner Hoheit widme, sei nichts bis dahin berührt worden ausser der Schrift über den heiligen Geist, die Erasmus von Rotterdam wenige Jahre vor seinem Tod übersetzt habe (1532) (GG 448), dessen Übersetzung er gerne übernommen hätte, wenn er sich nicht vorgenommen gehabt hätte, den ganzen Basilius in eigener Übersetzung zu bieten, zudem die Unterschiedlichkeit des Stils gefürchtet hätte. Aber auch dieser neuen Übersetzung dürfte der oben angeführte Nutzen entspringen. Schliesslich sei er bei Georgios Trapezuntios, der die Bücher gegen Eunomios übersetzt habe, wegen ihrer durch die Drucker verursachten Fehler zum selben gezwungen gewesen (Rom 1526).
In der kürzeren Widmung der zweiten Hälfte seiner Übersetzung an Hermann von Wied kommt Cornarius vor allem auch auf den Übersetzungsstil zu sprechen: Da es so hervorragende Schriften des Basilius gebe, die er teils zuerst dem Volk vorgetragen und dann niedergeschrieben, teils an Bischöfe oder Private gerichtet und in deren Namen veröffentlicht habe, glaube er kaum mit einer Klappe zwei Fliegen zu schlagen, wenn er seine Gesamtübersetzung in vier Bänden so teile, dass er die letzten beiden Seiner Hoheit widme. Wenn Bischof Letorius von Malta und Amphilochios von Ikonion eine einzelne Schrift als grosses Geschenk gegolten habe, so seien zwei ganze Bände kaum ein kleines: viele Einzelbücher (partiales libri), Predigten, Untersuchungen, Verordnungen, das ganze Briefwerk des Basilius und Gregors von Nazianz und das alles jetzt überhaupt zum erstenmal von ihm übersetzt (beider Briefe waren griechisch 1499 bei Aldus Manutius und 1528 in Hagenau erschienen, eine lateinische Auswahl 1531 in Paris). Denn wenn gewisse Texte von Rufinus für manche als Übersetzungen aus Basilius gälten, so schienen diese doch nicht mit der von einem Übersetzer erwarteten Treue wiedergegeben, sondern hier und dort herausgepflückt und nach eigenem Gutdünken aus vielen Büchern zu einem zusammengestellt zu sein (Rufinus - ca. 345-410 - hat Origenes in der hier, und damals von Hieronymus, angeprangerten Weise, daneben Eusebius, Basilius und Gregor übersetzt). Er aber habe alles zuverlässig nach dem Wortlaut griechischer Vorlagen erstmalig übersetzt und ihm gewidmet, als Geschenk Seiner Hoheit an die studiosi, da man von ihm, Cornarius, ein solches gar nicht erwarte. Wahrhaft "königlich" sei das Geschenk der Werke des "Basilius" und verdiene nur von einem publiziert zu werden, der ihm an Würde ebenbürtig sei oder nahe komme. Wohl alle Schriftsteller hätten bisher hohe Fürsten als Empfänger von Widmungen gesucht, um ihren Schriften die Würde zu erhalten. So habe er nach der Widmung der ersten beiden Bände an Kardinal Erzbischof Albrecht von Mainz und Magdeburg es richtig gefunden, diese beiden ihm zu widmen, als Zeugnis seines Ruhmes als eines Förderers der Studien: Basilius, der alle Jugendlichen seiner Heimat Kappadokien zu überzeugen versucht habe, sich in Athen Bildung und Redefertigkeit zu erwerben, besonders bei Libanius, wie aus den von ihm im vierten Band gesammelten Briefen beider hervorgehe. Der damals führende Redner Libanius habe diesen Brief über die Sendung von Jünglingen an Basilius geschrieben. Er habe ihn für wert geachtet, hier aufgenommen zu werden, damit auch andere Fürsten sähen, wie man sich Ruhm erwerben könne. Dieses Beispiel für die Grossherzigkeit des Basilius (hier lässt Cornarius den Brief des Libanius lateinisch einfügen), das Seine Hoheit noch weit übertreffe, gehöre allen Fürsten des Jahrhunderts vorgelegt zu werden, das, nachdem es etwa dreissig Jahre lang grosse Gelehrte hervorgebracht habe (offenbar denkt Cornarius hier an die Generation des Erasmus), wie erschöpft und in der schlimmsten Barbarei zu enden scheine, wenn die Fürsten der wankenden Wissenschaft und Frömmigkeit nicht Hilfe brächten. Er hoffe daher, dass ihm diese seine Arbeit willkommen sei, die er gewissenhaft und, soweit es die andere Sprache zugelassen habe, bis zur Silbenzahl getreu übersetzt habe. Nicht dass er jene Übersetzungsart angewandt habe, die die Griechen kata podas (fussweise) nennten, sondern die speziell hermēneia (!; Deutung) genannte. Denn das müsse man, meine er, bei den griechischen Theologen ehrfürchtig beachten, auch wenn einer sich bei andersartigen Autoren Freiheiten herausnehme. Er finde nicht jene auf dem richtigen Weg, die bei jeder beliebigen Übersetzung sich so lateinisch zu sprechen bemühten, dass sie allen Feinheiten der Sprache überall nachjagten und sie hineinzustopfen suchten und dabei nicht merkten, dass sie nicht nur vom Sinn abkämen, sondern auch eine unpassende und vom vorliegenden Beispiel des Autors völlig abweichende Ausdrucksweise vorlegten. Das vermieden zu haben sei er sicher, ebenso den Sinn des Autors treffend und lateinisch ausgedrückt zu haben, auch wenn man diese Schriften nicht lese um beredter, sondern um besser zu werden. Zudem sei die Sprache des Basilius bei den Griechen von keinem übertroffen, von wenigen erreicht worden; so wage er nicht zu prahlen oder nur zu hoffen, in seiner Übersetzung Gleichwertiges erreicht zu haben, ja nur seine Überzeugungskraft, sein Lehrgeschick oder seinen Scharfsinn im Briefeschreiben erreicht zu haben. Wenn er das beste ihm Mögliche erreicht habe und ein Nutzen für die studiosi herausschaue, so verdanke er das seiner Hoheit.
Ex libris Bibliothecae Academiae Basiliensis: F K VII 2
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: FK VII 2