GG 415
Nicephori Callisti Xanthopuli , scriptoris vere Catholici, Ecclesiasticae historiae libri decem & octo: Sacratiss. Rom. Regis Ferdinandi liberalitate, opera vero ac studio doctiss. viri Ioannis Langi, Consiliarij Regij, e Graeco in Latinum sermonem translati, nuncque primum in lucem editi. Quorum eximia utilitas, prae ceteris Ecclesiasticorum scriptorum historijs hactenus editis, cum in Ioan. Langi ad S. R. Maiest. tum ipsius Nicephori, lucubrationis huius suae initio statim adiecta Praefatione, satis luculenter exponitur... Basel: Johannes Oporin März 1553. Fol.
Als Grossfoliant von - Index eingerechnet - ziemlich genau tausend Seiten erscheint bei Oporin im März 1553 mit Privilegien gegen Nachdruck usw. Kaiser Ferdinands von Wien, 17. Oktober 1551 auf zehn und König Heinrichs II. von Paris, 20. Januar 1552 auf sechs Jahre sowie Druckerlaubnis - Censura - der theologischen Fakultät der Universität Löwen, dass das Werk des Nicephorus für Glauben und Frömmigkeit ungefährlich, sogar nützlich sei, die Kirchengeschichte des recht bedeutenden Kirchenhistorikers und -dichters Nikephoros Kallistos Xanthopulos (ca. 1256 - ca. 1335), Priesters an der Hagia Sophia in Konstantinopel, sein Hauptwerk in achtzehn Büchern, in einer neuen - für die Folgezeit massgebenden lateinischen Übersetzung, nachdem sie in einer älteren anonymen Übersetzung schon seit 1535 in die Drucke der Autores historiae ecclesiasticae von Froben und Episcopius (GG 410) aufgenommen worden und kleinere Schriften 1536 griechisch als zweiter Teil zusammen mit den Epigrammata des Kyros Theodoros Prodromos bei Johannes Bebel (GG 458) erschienen waren. Xanthopulos hat seine Geschichte bis zum Jahre 610 ausgeführt, hatte aber geplant gehabt, wie seine Inhaltsangabe zeigt, sie in weiteren fünf Bänden bis zum Jahre 910 fortzuführen. Seine Hauptquellen sind die Geschichtswerke von Eusebios, Sozomenos, Theodoret, Philostorgios, Euagrios und Theodoros Anagnostes - somit, bis auf Philostorgios, die Autoren der Basler Sammeldrucke, deren Werke somit hier in eines verschmolzen sind - sowie lokale Konstantinopolitaner Urkunden und Listen.
Übersetzer ist der Gelehrte und Staatsmann Johannes Lange aus Freistadt in Schlesien (1503 - 1567), nach Studien in Krakau und Wien Schulrektor, Stadtschreiber, von 1536 an Sekretär und Kanzler der Bischöfe von Breslau Jacob von Salza und Balthasar von Promnitz, dann Rat Kaiser Ferdinands, der offenbar auch diesem Riesenwerk als Mäzen (liberalitate... schon im Titel) Beistand geleistet hat. Langes Übersetzungen des Xanthopulos, Justins und aus Gregor von Nazianz, die sämtlich in Basel erschienen sind, gelten als grundlegend für die Folgezeit; in seinen letzten Lebensjahren - erst nach unserer Ausgabe - hat sich Lange zu einem stillen Gelehrten- und Übersetzerleben wieder ins schlesische Schweidnitz zurückgezogen, wo er 1535 kurz als Stadtschreiber gewirkt hatte. Aus dem Geschenkeintrag unseres Basler Exemplars (s. unten) vermuten wir, dass auch der Basler Drucker und Verleger Johannes Herwagen sich finanziell an diesem Riesendruck - und Risiko - beteiligt hat - wie Oporin ihn als Drucker/Verleger für seinen Epiphanios von 1544 (GG 442) gefunden hatte. Eine zweite Auflage erscheint, schon 1561, denn auch bei Oporin und Herwagen, fünf oder sechs Nachdrucke, die offenbar auch von der guten Verkäuflichkeit des Werkes profitieren sollten, 1560 in Antwerpen, 1562, 1566 (8°) und 1573 in Paris und 1588 (und 1597?) in Frankfurt am Main.
Lange hat diese seine erste grosse Übersetzung auf fast zwölf Grossfolioseiten seinem Herrn, Kaiser Ferdinand gewidmet (ohne Datum), als von ihm veranlasst und mit Hilfe Gottes (die Lange in der zweiten Hälfte der Widmung - in der wir auch ein selten verwickeltes Schicksal einer Handschrift kennenlernen - noch für sehr viel weniger kirchliche und fromme Dinge in Anspruch nehmen wird) vollendet: die Kirchengeschichte des katholischen (auch diese Bezeichnung ist nicht zufällig) Autors Nicephorus Callistus. Er habe dabei nicht seine Gelehrsamkeit oder Beredsamkeit - die er nicht besitze - zur Schau stellen wollen, sondern die gewissenhafte Treue zum Text zeigen, die von einem Übersetzer eines kirchlichen Werkes verlangt werde. Diese Kirchengeschichte des Nicephorus dürfte überall nützlich, gelegen und notwendig sein, dürfte wie ein alter christlicher Zuchtmeister für die gegenwärtigen verderbten Sitten wirken, indem sie Beispiele aller Stände und Tugenden zur Nachahmung, der Sünden zur Meidung, ewige Belohnungen für Frömmigkeit, Strafen für Unglauben biete und den Weg zu Aufbau und Instandstellung der kirchlichen Welt (Respub. Ecclesiastica) zeige, die von inneren Streitigkeiten zerrissen sei, indem sie die Verhandlungen einiger ökumenischer Synoden vorlege, nach denen vielseitige Widersprüche in der Kirche durch rechtmässige und sanfte Massnahmen beigelegt worden seien. Es sei für die ganze Menschheit wichtig, dass die höchsten Fürsten der christlichen Welt dies nicht nur kennten, sondern stets bedächten und vor Augen hätten. Nicht dass das nicht schon bisher in andern Büchern und in der von Ruffinus übersetzten Kirchengeschichte Eusebs und der sogenannten Historia Tripartita überliefert und dargestellt worden sei: bei Nicephorus werde alles in besserer Ordnung und Auswahl, klarer und umfassender nach den alten Autoren fortlaufend berichtet, so dass dieses Werk als allermindesten Nutzen einiges in jener allzu oft zerstückelten und dunklen Kirchengeschichte erhelle. Doch dazu habe Nicephorus selber genug gesagt. Er meine jedenfalls, dass diese griechisch verfassten fein geschriebenen Bücher durch die göttliche Vorsehung bis jetzt erhalten geblieben seien. Denn als sie vor vielen Jahren, aus der königlichen Bibliothek von Buda, die der ungarische König Matthias Corvinus mit ausgewählten griechischen und lateinischen Büchern (d. h. hier vor allem noch: Handschriften) ausgestattet gehabt habe, entwendet, lange im Besitz eines Privatmanns gewesen seien, dann bei der Eroberung und Plünderung Ungarns durch die türkischen Truppen mit der übrigen Beute nach Konstantinopel verbracht und dort auf den Trödelmarkt gelangt seien, seien sie äusserst glücklich von einem Christen und dazu einem gelehrten Mann gekauft und wieder nach Ungarn zurückgebracht worden. Dort seien sie schliesslich in den Besitz des gebildeten Rechtsgelehrten (und Dichters) Georg Logus (Freiherr Georg von Logau) gelangt, des Propstes von Heiligkreuz und Stiftsherrn von St. Johannis in Breslau, Rates seiner Majestät, und dadurch sei es ihm ermöglicht worden, sie zu übersetzen. Kurz zuvor seien in Paris in der Königlichen Druckerei die Geschichtswerke des Eusebius selbst und der übrigen Kirchenhistoriker griechisch erschienen, aus denen auch Cassiodor seine Historia Tripartita ausgezogen habe und auch dieser Nicephorus grossenteils, nach seinem Gutdünken, viele Stellen und Stoffe in seinem Werk vereinigt habe, all dies nach Gottes Anordnung, dass durch die griechische und lateinische Publikation solcher Werke dank der Bezeugung durch mehrere Ausgaben die Wahrheit und Gewissheit der Geschichte der alten Kirche ständig weiter bekräftigt werde, und dass dieser Nutzen, was alle Frommen erhofften und wünschten, durch eine Besserung der Sitten aller Stände, eine Beseitigung der Irrtümer und gläubige Bestätigung der Lehren, der gegenwärtigen Kirche und der gesamten Christenheit zuteil werde. So hätten wohl um den gegenwärtigen Glauben bemühte Männer mit ihm gemeint, dass es nach den prophetischen Schriften des Alten und Neuen Testaments kaum ein anderes Werk gebe, das Menschen jedes Standes und Alters mit grösserem und sichererem Nutzen für die Kenntnis der Geheimnisse der wahren Frömmigkeit und für die Besserung der Lebensführung und der Sitten Tag und Nacht studieren könnten. Wie in einem herrlichen kirchlichen Amphitheater habe jedes Geschlecht, jeder Stand, jedes Alter grossartige Denkmäler des christlichen Wettkampfs um die Preise des himmlischen Lebens und die geduldige Ausübung der wahren und reinen Frömmigkeit in Glück und Unglück vor sich. Denn was sei ein Band einer Kirchengeschichte anderes als eine wahrhafte Übungsstätte der Prophezeiungen, Lehren und Versprechungen Christi und seiner Apostel und Propheten, eine wunderbare Vergegenwärtigung, Vollziehung, Darbringung der göttlichen Frömmigkeit, um so viel besser als alle Säulenhallen (der Stoiker), Lyzeen (der Peripatetiker), Akademien (der Platoniker) sämtlicher Philosophen wie das Leben als der Tod, der Himmel als die Erde, Gott als der Mensch. Im Buch der Apostelgeschichte des Evangelisten Lukas betrachte das christliche Gemüt mit grossem Vergnügen die Wiege seines Geschlechts. Herangewachsen sehe es seine Fortschritte nur in der Kirchengeschichte. Die Männer, denen Gott kirchliche und weltliche Ämter übertragen habe, müssten Kenntnisse im Wachstum wie in den Gefahren des Wachstums der Kirche besitzen, um die Religiosität sowohl in Blüte erhalten wie im Niedergang wiederherstellen zu können. Grossen Dank und Ruhm ernteten von den Gelehrten die Erforscher der Münzen, Kronen, Kleider, Sitten, der Säulen, Statuen, Triumphbögen und Inschriften der alten Griechen, Römer und Barbaren aus den Schriften der Griechen und Römer. Daher würden solche Werke viel gelesen und geschätzt, die Antiquare in den Himmel gehoben. Wieviel mehr als diese irdischen, wenig nötigen, oft sogar unnützen Dinge verdiente dies das Buch der heiligen Geschichte, in dem die Anfänge und das Wachstum der Kirche Gottes und der Christenwelt (Reipub. Christianae), die himmlischen Schätze gezeigt würden, die Märtyrerkronen, die mystischen Speisungen. Umso mehr schulde man denjenigen antiquarii Dank, die die Geschichte der alten Kirche überliefert hätten. Und diese umfassten fast vollständig diese Bücher des Nicephorus. Und wenn Kaiser Augustus, in dessen goldenem und friedvollem Zeitalter der Heiland geboren sei, jenes höchste Glück zuteilgeworden wäre, dass er selber Christ geworden wäre und christliche Völker regiert hätte, dann hätte er mit Gewissheit aus diesem Werk im Senat vorgetragen und es allen Ständen in seinen Provinzen zur Lektüre gesandt. Denn bei seiner Lektüre der griechischen und lateinischen Autoren habe er, laut Sueton, nichts so verfolgt, wie öffentlich oder privat nützliche Werke seinen Angehörigen, dem Heer, den Verwaltern der Provinzen und Städte zukommen zu lassen. Ganze Bücher habe er im Senat vorgelesen und durch Edikte dem Volk bekannt gemacht. Als Christ und Teilhaber an den kirchlichen Mysterien hätte er ohne Zweifel zahlreiche Beispiele aus diesem heiligen Buch, wenn nicht das ganze, dem gesamten Volk bekanntgemacht. Er hätte solche Bücher, die für die Belehrung der gesamten Christenheit geschaffen seien, nicht innerhalb der Wände seines Palastes verschlossen gehalten. Und wenn sie auch keineswegs irgendwelchen Anteil an den kirchlichen Streitigkeiten hätten, würden sie nun dennoch unter seinem königlichen Schutz lateinisch erscheinen. Denn ein so wahrhaft frommes Werk müsse einem Fürsten zugeeignet werden, der die Frömmigkeit besonders pflege und fördere. - Diesen vier Seiten vorwiegend sachlicher Einführung lässt Lange deren acht mit zum Teil widerlichster Lobhudelei folgen, päpstlicher als der Papst, österreichischer als das Haus Österreich: Ferdinands und seines Bruders Karl Taten gegen die Türken - gleich denen der Griechen gegen die Perserkönige - wobei immerhin im Vorbeigehen doch auch die Jagellonen Vladislaus und Ludwig, Skanderbeg und die Venezianer noch genannt werden - Österreichs gottgegebene Siege über König Franz I. am Ticino und vor Neapel, Karls Rettung aus dem Seesturm vor Nordafrika durch Gott, Ferdinands Sieg mit nochmals betonter Hilfe Gottes im Gigantenaufstand in Deutschland (gegen den protestantischen Bund von Schmalkalden) und seine ungewöhnliche Gnade entgegen den julischen Gesetzen gegenüber den Unterlegenen, die Grösse des Hauses Österreich, das sich durch Heiraten Herrscher verbünde - dies alles nicht zu Gefallen, sondern unter dem Druck der Wahrheit - unvorstellbar, was aus der Welt (qui status Rerumpub.) geworden wäre, wenn die Herrschaft über das Reich nicht an sie beide göttliche Brüder gefallen wäre. Ausser David, dem jungen Salomo, Ezechias und Josias, Augustus, Titus, Trajan, dem Philosophen Marcus und Alexander Severus mit seinen Rechtsgelehrten im Rat, kaum Griechen, am meisten noch deutschen, käme kein Herrscher ihnen gleich, Vätern ihrer Bürger wie Homers Ulysses, Vergils Aeneas, Xenophons Cyrus. Kein Herrscherhaus käme an Dauer dem Österreichs gleich, das zur Förderung der Frömmigkeit und der Gottesverehrung die Universitäten von Wien in Österreich und Freiburg im Breisgau gegründet habe, die Guten belohne und die Bösen strafe. Es sei aber nicht seine Absicht, ihn hier zu loben, das gehe über seine Kräfte, das tue ohnehin Nicephorus selber in der Widmung seines Werkes an Kaiser Emanuel Palaeologus wie in einem Spiegel, der - und weiter lässt sich die Lobhudelei kaum noch treiben - damals vorausgeahnt habe, dass sein Werk in lateinischer Übersetzung einst im Namen desjenigen Fürsten erscheinen werde, den er selber griechisch in vollster Wahrheit gelobt habe. Und darin dürften ihm wohl alle gerechten Zensoren zustimmen.
Muss man sich da wundern, wenn Basler Theologen auch einmal den Druckern vorwerfen, gierig auch mit katholischer Literatur, die gegen den eigenen Staat und das eigene Bekenntnis gerichtet sei, unbesehen Geld zu machen zu suchen? Auf Nikephoros Xanthopulos trifft solches nicht zu, Kirchenväter hat auch Johann Jacob Grynaeus selber in Basel herausgegeben - und die Widmungsvorrede dürfte erst, wie meist, spät während des Druckes des Werkes, in Basel eingetroffen sein.
Exemplar H I 15 aus Besitz Bonifacius Amerbachs, diesem geschenkt von Johannes Herwagen: Bonifacij Amerbachij Basilien ex Io. Hervagij munificentia.
Bibliothekskatalog IDS
Signatur: Aleph H I 15