GG 416
Eusebii Pamphili, Ruffini, Socratis, Theodoriti, Sozomeni, Theodori, Euagrii, et Dorothei Ecclesiastica Historia, Sex prope seculorum res gestas complectens: Latine iam olim a doctissimis viris partim scripta, partim e Graeco eleganter conversa: Et nunc ex fide Graecorum codicum, sic ut novum opus videri possit, per Io. Iacobum Grynaeum locis obscuris innumeris illustrata, dubijs explicata, mutilis restituta... Basel: Eusebius Episcopius und des Bruders Nicolaus Episcopius d. J. Erben März 1570. Fol.
Als eine der ersten Arbeiten des jungen Basler Doktors der Theologie und Superintendenten zu Rötteln Johann Jacob Grynaeus (1540-1617, 1575 Professor der Theologie, 1586 Antistes der Basler Kirche) erscheint im März 1570 eine neue Ausgabe der Kirchengeschichte; bekanntester und bedeutendster Autor der seit der Ausgabe des Beatus Rhenanus bei Froben von 1523 (GG 409) traditionellen Sammlung aus übersetzten griechischen und lateinischen Autoren ist Eusebios (um 300), dessen Chronik jedoch nur in Bearbeitungen und Übersetzungen erhalten ist. Der Ausgabe von 1523 waren in Basel bei den Nachfolgern Frobens neue Drucke 1528, 1535 (GG 410), 1539, 1544, 1549 (GG 414), 1554, 1557 und 1562 gefolgt, die letzten 1570 - hier - und 1587 bei den jungen Episcopii und 1611 bei Sebastian Henricpetri; die Chronik Eusebs allein erschien zudem in Basel bei Heinrich Petri 1529 (GG 417), 1536 (GG 418), 1549 und 1579, sein Gesamtwerk, soweit jeweils bekannt, 1542 (GG 419), 1549 (GG 420), 1559, 1570 (GG 421) und 1579, auch dort die Ausgaben bis 1559 Werke von Philologen, die von 1570 das eines Theologen, unseres Johann Jacob Grynaeus.
Seine - undatierte - Widmung unseres Werks an die Basler Juristen Michael Rappenberger (1531-1588), badischer Landschreiber zu Rötteln, und Caspar Herwagen (1528-1577), Sohn des Druckers Johannes Herwagen und seit 1565 Professor für Codex Justiniani, umfasst, ähnlich der zu seiner Eusebausgabe des selben Jahres, volle elf in recht kleiner Kursive gedruckte Seiten. Sämtliche Zitate aus den Werken des Sammeldrucks sind im griechischen Original wiedergegeben, was die Aussage bestätigt, dass er den lateinischen Text anhand der Originale durchgesehen habe. Im Stil dieser Sammlung vermisse man zwar den Glanz der antiken Autoren, beginnt er seine Widmung an die bestandenen Juristen, der Inhalt sei nüchtern, es handle sich um Nebensächlichkeiten, falsche Berichte. Man beschränke sich allein auf das Alte und das Neue Testament oder vermisse die Spannung der alten griechischen Historiker, den Stil ihrer Übersetzungen, halte den Inhalt für Fabelerzählungen. Doch von jedem Buch könne man profitieren: Neues kennenlernen, sich an Vielfalt erfreuen, aus Irrtümern lernen. Eusebius Pamphilus sei in Inhalt und griechischem Stil ohne Tadel, die andern stilistisch eher in der Nachfolge der Evangelisten und des Paulus als Xenophons, und das dürften Christen ihnen nicht vorwerfen. Ausserdem seien in den dazwischenliegenden Jahrhunderten durch die Häretiker neue, barbarische Ausdrücke ins Griechische gelangt, die in Widerlegungen und allgemein weiterverwendet worden seien. Diese fänden sich nicht nur in den griechischen Handschriften, sondern natürlich auch in den neuen Übersetzungen des Johannes Musculus, Joachim Camerarius und John Christopherson. Aus der ganzen Kirchengeschichte müsse man eine Auswahl nach menschlichen Massen treffen. Dieses erkenne, wer mit der Kirchen- oder Staatsführung beschäftigt sei und den Alltag kenne, besser als wer in der Abgeschiedenheit der Universitäten weile. In der Folge fasst Grynaeus den erbaulichen Inhalt der Chronik Eusebs für die Allgemeinheit zusammen und weist auf seine Beifügung einer Chronologie, wo nötig lakonischer Erklärungen, und die Behebung von Lücken hin, sodann auf Spezielles für die Kirchenführer: Betreuung der Kirche in Verfolgung, gegen Häresien und Hypokrisien sowie übertriebene allegorische und ethologische Deutungen des Lebens und Wirkens Christi, wofür die Werke zahlreiche erbauende Beispiele böten. Die Waffen der Verfolger hätten mit Martyrien unschädlich gemacht werden können; viel gefährlicher seien die Häretiker gewesen, die, wie Arius, Eudoxius, Macedonius, Zwietracht gesät, die Kirche selber gespalten und zerrissen hätten. Besonders die Bischöfe und Geistlichen seien von Herrschern verfolgt und von Häretikern verleumdet worden, um so das Volk seiner Führer zu berauben. Von all dem enthalte das Werk unzählige Beispiele für ähnliche Fälle: die besonderen Tugenden zahlreicher - einzeln genannter - Bischöfe, aber durchaus auch deren Fehler. Wie äussere Feinde immer wieder inneren Frieden gebracht, äusserer Friede oft innere Zwietracht nach sich gezogen habe. Was an ökumenischen Konzilien - wir befinden uns sieben Jahre nach Abschluss des Konzils von Trient - zu besprechen sei, was nicht zu besprechen gewesen wäre. Wie viele und welche Synoden gar nicht hätten stattfinden dürfen. Anderseits wieder die Wendungen zum Guten durch Eingriffe Gottes selber in das Geschehen, wie zum Beispiel bei Konstantin und Arius. Dinge, deren Kenntnis für jeden Diener des Neuen Testaments fruchtbar sei, wie die andern für jeden Fürsten. So brauche es zur Erhaltung von Reichen nicht fleischliche Waffen, sondern es genüge Frömmigkeit, was auch jetzt noch gewisse stupide Therapontigonoplatagidori nicht begriffen hätten. Wen die Herrscher als Räte wählen müssten: nicht Komödienbramarbasse, sondern gottesfürchtige Männer, wie sie selber nicht durch Gesetze, sondern durch ihr Beispiel ihre Untertanen zur Frömmigkeit bringen sollten, wie der Glaube die Pforte zum Verständnis der Wahrheit sei, welches - am Beispiel Konstantins und des Konstantius - die Eigenschaften eines guten Fürsten seien.
Dass der Herausgeber Grynaeus (bzw. der Drucker/Verleger) nicht nur aus Geschäftsgründen die Ausgabe nach dem griechischen Original verbessert nennt, sondern dies wirklich geschehen sein dürfte, wird auch dadurch nahegelegt, dass er auch als Herausgeber der lateinischen Übersetzung in deren Vorrede sämtliche Belege aus dem Werk in der griechischen Form anführt, was zeigt, dass er die griechische Fassung der Texte - soweit erhalten - vor sich hatte, dass er selber das griechische Original für sich verwendet hat. Sechs Monate später, auf die Herbstmesse, erscheint bei Heinrich Petri, ebenfalls von Grynaeus neu herausgegeben, der vierte Druck der Werke des Eusebius aus dieser Offizin (GG 421).
Exemplar aus Besitz Remigius Faeschs (von diesem angeschafft 1633): F K IV 1a
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Signatur: FK IV 1a