GG 357

Pauli Aeginetae totius rei medicae libri VII, ad profectionem parati, et brevi summa omnem artem complectentes. Per Ianum Cornarium medicum Physicum Latina lingua conscripti. Iani Cornarii medici physici, Dolabellarum in Paulum Aeginetam medicum libri VII... Basel: Johannes Herwagen Vater und Sohn/Johannes Herwagen junior 1556. Fol.

Nach der ersten Basler Übersetzung des Paulus Aegineta durch Albanus Torinus von 1532 (GG 351), deren Ergänzung 1533 (GG 352), drei neuen Ausgaben 1538 (GG 354) (GG 356), 1546 und 1551, dazwischen der griechischen Ausgabe des Hieronymus Gemusaeus erscheint hier eine neue lateinische Übersetzung aus der Feder des Arztes Janus Cornarius. Seine Widmung der Übersetzung an den mit ihm und Philipp Melanchthon eng befreundeten am 13. November 1555 verstorbenen Bürgermeister von Nordhausen Michael Meienburg von Zwickau, l. April 1555, hat sich zu einer umfassenden kleinen Geschichte der Medizin und des Medizinunterrichts in seiner Zeit aus humanistischer Sicht ausgewachsen und bietet zudem, drei Jahre vor seinem Tod, zeittypisches biographisches Material. Er habe die Bedeutung der Gesundheit als Kind erfahren, beginnt er, bei auswärtigem Schulbesuch, Kränklichkeit und falscher Ernährung. Mit 18 Jahren habe er sich gegen Eltern und Freunde, die ein Theologiestudium gewünscht hätten - es ist das Jahr 1518 -, für die Medizin entschieden. Mit seinem erfolgreichen Sprachenstudium hätte er immer noch zur Theologie wechseln können, doch habe er auch Medizin gehört, nicht als ein Anhänger, sondern als Forscher. Trotz aller Ehrerbietung sei er mit dem von den Professoren Gebotenen nicht zufrieden gewesen: Avicenna, Rasis. Zuweilen seien neuere sogenannte Praktiker dazugekommen: Bertrutius, Gatinaria und unzählige andere. Die Griechen seien überhaupt nicht beachtet worden, ausser nebenbei einmal Hippokrates, Galen oder Dioscorides. Die übrigen seien gänzlich unbekannt gewesen. Ihre Schriften hätten weder griechisch noch lateinisch vorgelegen, ausser in vollständig verderbten und barbarischen Übersetzungen aus Galen und von Hippokrates die Aphorismen und das Prognostikon, die hin und wieder in den Vorlesungen gebracht worden seien. Das Irregehen dieser Professoren habe er dank seinem Sprachenstudium feststellen können. Aus der Minderwertigkeit jener Autoren wie der Professoren habe er auf den Wert der griechischen Ärzte geschlossen und ihr Fehlen bedauert. Trotzdem habe er einige Jahre mangels besserer sich mit diesen barbarischen Autoren beschäftigt, beidseits des grossen Ozeans, bei den Livonen, Rutenen und im Herzogtum der Megalopyrgischen Fürsten (England, Livland, Frankreich, Mecklenburg), immer in der Hoffnung, auf Griechen in der Originalsprache zu stossen. Als er daher nach Basel gelangt sei, habe er dort jene gänzlich verloren geglaubten griechischen Ärzte gefunden: Hippokrates, Galen, Paulus Aegineta, Dioscorides in Drucken der Offizin des Aldus in Venedig, zu Johannes Froben gebracht, der kurz vorher gestorben sei (im Oktober 1527), so dass sie in der Offizin nun Hieronymus Frobens von Gelehrten und Studenten nicht nur gelesen, sondern auch grosszügig hätten gebraucht werden können. Wenn ihm in Basel jemand die leere Börse wieder gefüllt, die abgetragenen Kleider ersetzt hätte (wie man es ihm dort bald für Behandlungen angeboten habe), es hätte ihm weniger Freude bereitet als die freundliche Aufnahme des Fremden durch Froben, der Hinweis auf jene griechischen Autoren in seinem Hause und deren Ausleihe zum Gebrauch. Dies habe seinen Wunsch, Italien zu sehen, gemildert und ihn ein gutes Jahr, von September 1528 bis September 1529, in Basel zurückgehalten. Da Erasmus von Rotterdam damals in Basel gelebt habe, seien, obwohl er wegen der Unruhen im Staat (Reformationswirren) dann nach Freiburg gezogen sei (am 13. April 1529), täglich viele Gelehrte und Studenten u.a. aus Frankreich und Italien ihn zu besuchen hergeströmt. Durch die Freundschaft mit ihm und andern Gelehrten habe auch er jene zu Freunden gewinnen können. Unter ihnen sei auch Johannes Herwagen gewesen (er ist wohl im Frühjahr 1528 aus Strassburg, wo er bis dahin gedruckt hatte, nach Basel gekommen), der Frobens Witwe geheiratet habe und in der Offizin nachgefolgt sei und später viele gute Autoren, jetzt den Paulus Aegineta gedruckt habe. Seit jener Zeit habe er jene barbarischen Ärzte, denen er ganze neun Jahre gefolgt sei, verworfen und sich ganz der griechischen Medizin und den griechischen Ärzten ergeben und übe die Medizin in ihrer Nachfolge und versuche nun schon 26 Jahre lang, Deutschland davon zu überzeugen, dass diese die wahren Ärzte seien und in ihrer Sprache zu lesen. Und um Entschuldigungen mit Unkenntnis der griechischen Sprache oder Schwierigkeit zu verunmöglichen, habe er versucht, sie verständlich auf lateinisch zu übersetzen: so gebe es nun Hippokrates, der über 2000 Jahre lateinisch vermisst worden sei (Cornarius/Froben-Episcopius 1546 [GG 321]), Galen zum grossen Teil von ihm übersetzt (Froben-Episcopius 1542 [GG 342]), Aetius, der in 16 Büchern die gesamte Medizin zusammengefasst habe (Froben-Episcopius l535 und 1542 [GG 362]); bald werde seine neue Übersetzung des Dioscorides erscheinen (Froben-Episcopius 1557 [GG 347]). Jetzt erscheine Paulus Aegineta, der das selbe wie Aetius in sieben Büchern getan habe, dazu seine sieben Bücher dolabellae, Kommentare, die wie jene zu Galen, für die gesamte Medizin gebraucht werden könnten. Er habe damit erreicht, dass man sich nun in ganz Europa um diese Autoren bemühe; nur die Hohen Schulen sängen noch das alte Lied. Andere akzeptierten die griechische Medizin, würden aber nicht wagen, sich der arabischen zu entledigen. Wer die Griechen kenne, könne auf alle andern verzichten. Auch die europäische Pharmakopöie müsse, im ganzen Reich auch über Europa hinaus, nach den Rezepten des Hippokrates und Galens reformiert werden, dies statt neue, exotische unerprobte Mittel einführen zu wollen wie das Holz Guaiacum gegen die vermeintlich neue - aber schon Plinius und Galen bekannte - Krankheit der "Franzosen" oder die Chinawurzel, mit welchen man schon einige Patienten zu Tode behandelt habe. Darum habe er nach jenen andern nun auch Paulus Aegineta auf lateinisch übersetzen und publizieren wollen. Den Dolabellae, mit eigenem Titelblatt, eigener Paginierung und eigenem Impressum, in dem, anders als auf der Haupttitelseite, sich nur Johannes Herwagen junior als Drucker nennt, die somit auch einzeln käuflich gewesen sein dürften, hat Cornarius auch eine eigene Widmung, von Zwickau, l. April 1555, an den mit ihm befreundeten Juristen und Kanzler des Fürstabts von Fulda Justus Stude mitgegeben, in der er sich gegen Angriffe eines Ungenannten verteidigt. Aus der Formulierung, dass es sich um einige einige Male nachgedruckte Übersetzungen einiger Leute handle, wird ersichtlich, dass es der selbe Übersetzer ist, den auch schon Gemusaeus 1543 in der Widmung zu seinen Annotationes zu Paulus Aegineta (GG 355) der üblen Nachrede bezichtigt hat: Johannes Guinterius von Andernach, dessen Paulus-Übersetzung von 1532 1534 in Köln, 1542 in Strassburg und Venedig, 1551 in Lyon und 1553 nochmals in Venedig nachgedruckt worden ist. Es sei bekannt gewesen, dass er das Werk schon vor 24 Jahren, d.h. 1531, also vor Andernacus übersetzt gehabt habe; als Zeugen führt er Andreas Alciat an, der ihn in einem Brief aus Bourges nach Basel am 7. Mai 1529 zugeredet habe, die Übersetzung drucken zu lassen, was einem Kompendium aus Hippokrates, Galen und Oribasius entspräche. Hieronymus Froben habe ihm im folgenden Jahr, als er wieder in seiner Heimat geweilt habe, eine zweite griechische Handschrift gesandt; dennoch habe er, trotz Wunsch Alciats und Angebot Frobens, es bei den bestehenden Übersetzungen bleiben lassen. Erst jetzt, da er auch bei jenen Unzufriedenheit herrschen sehe, gebe er sie heraus, geglättet durch die sieben Dolabellae - Hacken oder Hobel -, um Klagen zu vermeiden. Diese seien aber nicht nur neben seiner Übersetzung von Nutzen, sondern könnten ebenso als Erläuterungen zu den andern Übersetzungen verwendet werden. Keiner soll sich durch seine Übersetzung verdriessen lassen, sie werde niemand aufgezwungen, sondern komme frei daher. Wer sich für Edelsteine interessiere, lasse es auch nicht bei einem bewenden, sondern er wolle mehrere miteinander vergleichen und gegeneinander abwägen können. So wähle man auch unter seinen Büchern zum gleichen Gegenstand sich das beste aus und schätze seinen Wert durch Vergleich mit andern umso höher ein.

Aus Besitz des Augsburger Arztes Johann Jacob Schissler: Lf II 15

Bibliothekskatalog IDS

Signatur: Lf II 15 | Rc 236:1

Illustrationen

Buchseite

Titelseite

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2*r: Vorrede des Übersetzers Janus Cornarius, mit Widmung vom 1. April 1555 an Michael Meienburg, Bürgermeister von Nordhausen, 1. Seite.

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2*v: Vorrede, 2. Seite.

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3*r: Vorrede, 3. Seite.

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3*v: Vorrede, 4. Seite.

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4*r: Vorrede, 5. Seite.

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4*v: Vorrede, 6. Seite.

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5*r: Beginn der Schrift des Paulus Aegineta in lateinischer Übersetzung.

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6Gv: Druckermarke von Herwagen.

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Eigene Titelseite für die sieben Bücher Dolabellae.

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2Ar: Vorrede des Herausgebers Janus Cornarius, mit Widmung vom 1. April 1555 an Justus Stude, Kanzler des Fürstabts von Fulda, 1. Seite.

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2Av: Vorrede, 2. Seite.

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3Ar: Beginn der sieben Bücher Dolabellae.

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5Gv: Kolophon